Ein Kommentar - Ist die optimale Schrittfrequenz individuell?
- Jörg Birkel
„Die Schrittfrequenz ist ein wichtiger Faktor für eine gute Lauftechnik. Aber Pauschalempfehlungen wie "Jeder sollte mit 180/min laufen" sind natürlich Blödsinn, da die Schrittfrequenz vom Tempo und von der Körpergröße abhängt“, schreibt Marquardt auf seiner Facebook-Fanpage.
„Ich habe lange über der Formel gebrütet, mit der man die Schrittfrequenz je nach Körpergröße orientierend berechnen kann, mit der man flüssig und effizient läuft . Für 10 km/h lautet die Formel: f = 170 - ((Körpergröße in cm - 170) / 2)“, schreibt der Sportmediziner.
Für einen 180cm großen Läufer ergibt sich also eine Schrittfrequenz f von 170 – ((180 -170) / 2) = 165 Schritte pro Minute.
Im Gegensatz dazu empfehlen zahlreiche Laufexperten eine wesentlich höhere Schrittfrequenz um 180 Schritte pro Minute. Warum kommt es zu dieser unterschiedlichen Einschätzung?
Möglicherweise liegt das daran, dass andere Laufexperten wie der Trainer und Buchautor tatsächlich die Laufgeschwindigkeit außen vorlassen. Die Frage muss also lauten, woher die Empfehlung von 180 Schritten pro Minuten kommt.
Kann man Erkenntnisse von Topläufern einfach auf Breitensportler übertragen?
Ken Mierke führt in seinem Buch „Lauftraining für Triathleten und Marathonläufer“ dazu Studien und eigene Beobachtungen an. Bei der Analyse verschiedener Weltklasse-Läufer und hochkarätig besetzter Marathons machte Mierke die Beobachtung, dass die Spitzengruppen im Gleichschritt unterwegs waren.
Top-Läufer lagen mit ihrer Schrittfrequenz bei rund 180 Schritten in der Minute. Dabei spielte die Körpergröße der einzelnen Läufer keine Rolle. Diese Beobachtung deckt sich auch mit anderen Studien. Im Gegensatz zu Leistungssportlern sind Hobbyathleten aber eher mit niedrigerer Frequenz um 160 Schritte unterwegs.
Daraus leitet Mierke ab, dass die optimale Schrittfrequenz bei 180 Schritten pro Minuten liege und empfiehlt Breitensportlern daher, die eigene Frequenz schrittweise zu erhöhen.
Zudem empfiehlt Mierke einen vor- bzw. mittelfußlastigen Laufstil mit leicht vorgeneigtem Oberkörper, den Läufer würden dadurch von der Rückstoßelastizität profitieren und bei gleicher Kondition schneller laufen. Ein ökonomischer Langstreckenläufer mache sich die Energie zunutze, die beim Aufprall von der Achillessehne und der Wadenmuskulatur gespeichert wird, schreibt Mierke.
Schrittfrequenz ist Trainingssache
Dafür sei es notwendig, den Fuß unterhalb des Körperschwerpunktes und damit auf dem Mittel- bzw. Vorfuß aufzusetzen. Nur so könne der Körper die auftretenden Kräfte absorbieren und in Vortrieb umwandeln. Bei 180 Schritten pro Minute sei der Effekt zudem am größten, da sich aus der Frequenz perfekte Bodenkontaktzeiten ergeben würden.
Läuft man hingegen mit einer niedrigeren Schrittfrequenz, verpufft ein Teil der gespeicherten Energie ungenutzt, da der Fuß zu lange am Boden klebt. Läuft man mit einer höheren Frequenz, komme der Dehnungs-Verkürzungszyklus des neuromuskulären Systems nicht mehr hinterher.
Daraus ergibt sich
Wer im Wettkampf eine schnelle Laufzeit erzielen will, ist also gut beraten, mit einer Schrittfrequenz von 180 Schritten pro Minute zu laufen. Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht automatisch, dass Marquardt mit seiner Formel falsch liegt, da man im Training ja selten mit Wettkampfpace unterwegs ist.
Dennoch spricht aus meiner Sicht vieles dafür, auch bei niedrigerer Geschwindigkeit mit einer 180er Kadenz zu laufen, denn die Stoßbelastung auf unsere Gelenkstrukturen nimmt bei höherer Frequenz ab. Zudem lässt sich die Frequenz nicht nach belieben über einen längeren Zeitraum variieren.
Vielmehr ist es so, dass der Mensch als Gewohnheitstier sich auf seine Wohlfühl-Frequenz einpendelt. Somit ist anzunehmen, dass jemand, der im Training weniger Schritte macht, auch im Rennen dazu neigt. Stattdessen läuft vermutlich derjenige ökonomischer, der eine höhere Frequenz bevorzugt und stattdessen die Schrittlänge anpasst.
Weitere Infos zum Thema: Laufökonomie - Grundlagen der Lauftechnik