Nach dem Spiel in die Eistonne – was ist dran an der Kältetherapie? CryoBuilt Everest auf Unsplash
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Nach dem Spiel in die Eistonne – was ist dran an der Kältetherapie?

  • Prof. Dr. med. Timo Heidt
Die Ganzkörper-Kältetherapie hat in den letzten Jahren erheblich an Popularität gewonnen und wird mit verschiedensten Wirkungen auf den Körper in Verbindung gebracht - von der Stärkung des Immunsystems über regenerative Aspekte nach dem Sport bis hin zu Beauty- und Longevity-Ansätzen. Wim Hof (der sog. „Iceman“) entwickelte einen wahren Kult um das Bad bei Extremtemperaturen, aber schon Sebastian Kneipp betonte im 19. Jahrhundert wie Selbstheilungskräfte des Körpers durch Kälteanwendungen stimuliert würden. Sportmediziner und Physiotherapeuten greifen mittlerweile gerne auf die Kältetherapie für die Regeneration nach dem Sport zurück. Aber was ist evidenzbasiert wirklich dran an der Kältetherapie?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Kältetherapie durchzuführen. Ein winterliches Eisbad im See oder im Gebirgsbach ist weitverbreitet und wird als Ritual zu bestimmten Anlässen auch von Nicht-Sportlern absolviert. Deutlich gezielter wird eine Immersion in Eiswasser mit kontrollierten Temperaturen eingesetzt. Eine moderne Form ist die Kryokammer, welche eine trockene Therapiekälte von – 110 bis – 140 Grad Celsius ermöglicht. Dabei liegt der Schlüssel der Kryokammern auf dem Begriff „trocken“! Feuchtigkeit der Haut sollte dabei tunlichst vermieden werden. Die Therapie zielt darauf ab, die Oberflächentemperatur der Haut und des darunterliegenden Gewebes zu reduzieren. Hierdurch werden folgende physiologische Reaktionen stimuliert.

Vasokonstriktion

Durch die Kälte verengen sich die Blutgefäße von Haut und Muskulatur (Vasokonstriktion). Nach einer Verletzung oder sportlichen Belastung wird durch die Verringerung der lokalen Durchblutung eine Gewebeschwellung (Ödem) minimiert. Nach der Kältetherapie unterstützt die reaktive Hyperämie (erhöhter Blutfluss) den Austausch von Nährstoffen und Sauerstoff im Gewebe und beschleunigt den Abtransport von Stoffwechselprodukten.

Entzündungshemmung

Die Kälteeinwirkung reduziert die Aktivität von Entzündungszellen und dadurch die Ausschüttung proentzündlicher Zytokine wie das Interleukin 6, den Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und auch das hochsensitive CRP. Zusammen mit den schmerz- und juckreizlindernden Effekten der Kälte durch die direkte Wirkung auf periphere und zentrale Schmerzrezeptoren fördert die Therapie Heilungsprozesse. Abseits des Sports wird diese Wirkung gerne auch co-therapeutisch bei rheumatologischen Krankheiten eingesetzt.

Verbesserung der Muskelregeneration und Leistungsfähigkeit

Ob sich die Kältetherapie positiv auf die Muskelfunktion oder gar die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt, lässt sich in Studien nicht sicher belegen. 

Jedoch deuten einige Studien darauf hin, dass die Kältetherapie die Erholung der Muskelfunktion und -leistung verbessern kann. Die mechanische Stabilisierung und das schnellere Wiedererlangen der Beweglichkeit könnten auf die Reduktion von Entzündungen und Schwellungen zurückzuführen sein.

Psychologische Effekte

Durch die Exposition gegenüber extrem niedrigen Temperaturen werden neben Adrenalin auch Dopamin und Serotonin im ausgeschüttet. Die Hormone tragen zu einer Stimmungsaufhellung und mentaler Aktivierung bei und unterstützen dabei, psychischen Stress abzubauen und den Schlaf zu verbessern. Vor allem Dopamin kurbelt das „Belohnungssystem“ an. Kältetherapie kann entsprechend dazu beitragen, depressiven Verstimmungen oder einer Fatigue zu entgegen.

Beauty und Anti-Aging

In der Schönheitsbranche wird die Kryotherapie für Gewichtsreduktion, Anti-Aging, Cellulite-Reduktion, Faltenreduktion sowie erhöhte Kollagen- und Elastinbildung verantwortlich gemacht. Belastbare Beweise durch Studien hierfür fehlen weitgehend. Allerdings gibt es die verbreitete Ansicht: „Wer gut gelaunt ist, strahlt von Innen“! Entsprechend ist nicht auszuschließen, dass die Steigerung des Wohlbefindens auch positive Effekte auf diese weichen Faktoren haben könnte.

Insgesamt zeigt die Kältemedizin vielversprechende Ergebnisse in der Behandlung verschiedenster körperlicher und psychischer Beschwerden. Die beste Evidenz existiert für die Regernation nach sportlicher Belastung, jedoch lassen sich auch depressive Verstimmungen und rheumatische Erkrankungen co-therapeutisch durch Kälte angehen. Wichtig ist in jedem Falle, einem standardisierten Protokoll mit kontrollierten Temperaturen zu folgen. Eine Unterkühlung, welche kontraproduktiv oder gar gefährlich sein könnte, sollte dringend vermieden werden!

prof dr med timo heidtZur Person: 

Prof. Dr. med. Timo Heidt ist Chefarzt für Kardiologie der Max Grundig Klinik.

Er beschäftigt sich intensiv mit Leistungs- und Präventivmedizin rund um den Sport.

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