Abschied einer Ära – Was passiert mit der Europa League?
- Christian Riedel
Kommentar:
Seit dem 15. Mai weiß ich, dass sich niemand mehr für die Europa League (EL) interessiert. Beispiele gefällig? In meiner Mittwochs-Kickrunde wusste außer mir niemand, dass am Abend das Endspiel in Amsterdam stattfindet, geschweige denn, wer spielt. Das Finale wurde wie alle anderen Spiele auch auf dem „Sportsender“ Kabel1 übertragen, also dem Sender, der eher für Bud Spencer Filme und ausgediente Serien aus den 80er Jahren steht. Dass das Finale in Deutschland keinen mehr interessiert, wurde aber am üblichen Gewinnspiel besonders deutlich. Während bei jedem Champions League Vorrundenspiel mindestens ein Auto verlost wird, konnten sich der Gewinner des Final-Gewinnspiels über gerade einmal 2.000 Euro freuen.
Gründe für den Abstieg
Wenn man sich an glorreiche UEFA-Pokalspiele wie beispielsweise die Schalker in der Saison 1996/97 oder an legendäre Aufholjagden des SV Werder Bremen erinnert, werden nicht nur Nostalgiker eine Träne im Augenwinkel haben, wenn man diese Spiele mit den heutigen, oft blutleeren Auftritten des Kicker vergleicht. Daher kann man sich die berechtigte Frage stellen, warum sich nicht nur die Zuschauer, sondern auch kaum mehr ein Spieler für die internationalen Vergleiche in der Euro League interessiert.
Die erste Antwort ist einfach: es geht ums liebe Geld. Ein Sieg in der EL bringt wohl nur so viel wie die Qualifikation für die Champions League. Warum sollen sich die Spieler also verausgaben oder Verletzungen riskieren für einen Wettbewerb, der maximal etwas Prestige bringt. Vor allem Vereine, bei denen es in der Liga um die Existenz oder um die Qualifikation für die lukrative Champions League geht, setzen oft nicht die besten Spieler ein, um deren Kräfte zu schonen.
Die zweite Antwort ist der aufgeblähte Wettbewerb. Wenn man bedenkt, dass man bis zum Finale 15 Spiele bestreiten muss, sofern man sich direkt für die Gruppenphase qualifiziert hat, ist es nachvollziehbar, dass viele Fans irgendwann die Lust auf die EL verlieren. Von den Spielern einmal ganz zu schweigen. Zumal sich in der Gruppenphase bei Spielen gegen den Vierten der bosnischen Liga die sportliche Qualität der Spiele in Grenzen hält.
Die dritte ist die sportliche Qualität. Aus den Top-Ligen spielen die ersten vier in der Champions League bzw. die Qualifikation, aus den guten Ligen noch die besten drei. Ohne die besten Mannschaften ist es klar, dass sich die Qualität des Wettbewerbs nicht mit dem großen Bruder vergleichen lässt. Da hilft es auch nichts, wenn die Dritten der CL-Gruppen in die EL absteigen. (Wobei alleine der Begriff Abstieg bereits in klares Indiz für den Stellenwert der Europa League ist).
Wie geht’s weiter?
Die UEFA hat erkant, dass die EL immer mehr in ein Schattendasein hinüber gleitet. Entsprechend gibt es bereits verschiedene Überlegungen, wie es weitergehen kann. Eine Idee war, die Champions League von 32 auf 64 Mannschaften zu vergrößern und die EL abzuschaffen. Dann kann man sich schon auf Spiele zwischen dem Dritten der schottischen und dem Vierten der slowenischen Liga (nichts gegen den schottischen bzw. den slowenischen Fußball) freuen. Von einer Liga der Champions kann man in diesem Fall aber definitiv nicht mehr sprechen. UEFA-Präsident Michele Platini äußerte neulich die Idee, dem Sieger der EL automatisch einen Startplatz in der CL zu gewähren. Dies könnte für viele Vereine ein neuer Anreiz sich, sich im kleinen Wettbewerb etwas mehr anzustrengen, um doch noch an die großen Geldtöpfe zu kommen. Ob das das richtige Signal ist, die Vereine mit Geld zu ködern, ist diskussionswürdig aber wohl die einzige Chance, die Beteiligten zu mehr Engagement zu animieren.
Wie kann es weitergehen
Daran, dass es den Europapokal der Pokalsieger nicht mehr gibt, haben wir uns schon gewöhnt. Den Nachfolger des UEFA-Pokal ebenfalls sterben zu lassen, wäre ein großer Verlust, schließlich gäbe es nur noch einen aufgeblähten Wettbewerb mit der Champions League und nur noch einen internationalen Titel zu holen. Meiner Meinung nach müsste man sich nur wieder darauf besinnen, was den Wettbewerb früher so besonders gemacht hat. Da die besten Vereine in der CL spielen und daran auch nichts geändert werden wird, bleibt nur noch die Spannung zu erhöhen und für einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen. Statt die langweilige Gruppenphase zu spielen, wäre eine Wiedereinführung des sofortigen K.O.-Systems ein probates Mittel, um die Spannung dauerhaft zu erhöhen. Ein Startplatz für den Sieger in der Champions League wäre für viele Vereine ein zusätzlicher Anreiz, mehr Gas zu geben. Zur Not kann die UEFA die Siegprämien in der CL einfach etwas senken und das Geld in den kleinen Bruder investieren, um diesen Wettbewerb endlich wieder etwas aufzuwerten.