Erster reiner Frauensportsender: „Wichtig und überfällig“ josephsavella auf Pixabay

Erster reiner Frauensportsender: „Wichtig und überfällig“

  • Julia Hollnagel
Der Sport-Streaminganbieter DAZN hat DAZN Rise gestartet, einen kostenlosen Sender nur für Frauensport. Ein Novum in der Bewegtbildszene. Das Programm ist in Deutschland und Österreich frei empfangbar, kann also ohne kostenpflichtiges Abo gratis via Internet-TV gestreamt werden. Viele sehen darin einen Meilenstein. Julia Hollnagel, Referentin für Kommunikation und Marketing bei Athleten Deutschland e.V., kommentiert für uns das Debüt.
12 Prozent – mehr Frauensport gibt es aktuell nicht im Fernsehen. Dem will DAZN mit dem neuen Angebot DAZN Rise nun entgegentreten –wunderbar! Mit Fußball, Handball, Golf, Hockey und Kampfsport sollen künftig eine große Vielfalt an Sportarten dort stattfinden. Die Athletinnen bekommen eine professionelle Bühne und sie können sich breiter vermarkten - ein wichtiger und überfälliger Schritt, der für die Sportlerinnen viele Chancen birgt.

"Der Mädelswettkampf ist wie die Werbepause im Film". Dieses Zitat stammt aus Interviews, die Athleten Deutschland mit 26 Athletinnen aus verschiedenen Sportarten zum Thema Gleichberechtigung im Spitzensport geführt hat. Wir wollten herausfinden, was für die Athletinnen in Hinblick auf gleiche Verwirklichungschancen noch zu tun ist. Schon dieser eine Satz zeigt: So einiges.

Einfluss auf die gesamte Gesellschaft möglich

Denn die geringere Medienpräsenz von Sportlerinnen wirkt sich ohne Frage auf die Vermarktbarkeit der Sportarten und das Sponsoreninteresse aus. Verbände und Vereine sahen bislang wenig bis keine Anreize, stärker in die Vermarktung der Wettbewerbe der Frauen zu investieren. Den Sportlerinnen werden somit Sichtbarkeit und damit verbunden Einkommensmöglichkeiten verwehrt. DAZN Rise könnte hier den Startschuss für eine Trendwende bedeuten.

Dazn Rize kommentar
Julia Hollnagel, Referentin für Kommunikation und Marketing bei Athleten Deutschland e.V

Mehr Frauen und Mädchen im Fernsehen zu zeigen, hat nicht nur Einfluss auf den Verdienst der Athletinnen. Es kann Einfluss auf unsere gesamte Gesellschaft haben. Denn nur Sportlerinnen, die sichtbar sind, können auch Vorbilder sein. Dafür gilt es nun, die Athletinnen nicht nur als Medaillenlieferantinnen und Pokalgewinnerinnen zu inszenieren, sondern als Persönlichkeiten. Genug tolle Sportlerinnen mit ganz individuellen Geschichten gibt es dafür. DAZN Rise könnte so auch einen Beitrag dazu leisten, weiteren Themen rund um Frauen im Sport zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen: Der Schutz vor Gewalt und Missbrauch im Sport, die Gender Data Gap in der Trainings- und Sportwissenschaft oder auch die Vereinbarkeit von Sport und Familienplanung.

Weg vom Nischenprodukt, hin zur Selbstverständlichkeit

Natürlich schafft DAZN mit DAZN Rise nicht aus reinem Altruismus ein kostenfreies Angebot. Hier wird ein Markt bespielt, der in den kommenden Jahren neue Einnahmenpotenziale verspricht. Niemand sollte aber vergessen, dass es der Verdienst vieler toller Sportlerinnen ist, dass ihre Höchstleistungen und ihre Leidenschaft auch den Streamingdiensten endlich (!) lukrativ genug für ein eigenes Format zu sein scheinen. Deshalb sollten es perspektivisch selbstverständlich sein, dass die Athlet*innen über ihre Vereine und Verbände dann ein angemessenes Stück vom Verdienst-Kuchen erhalten.

DAZN Rise ist ein wichtiger Schritt für die Sichtbarkeit von Frauen im Sport. Es kann ein Wegbereiter sein, dem hoffentlich andere Marktanbieter folgen und sich auch in Hinblick auf die Sportarten noch breiter aufstellen. Aber mit diesem Angebot ist der Sichtbarkeit von Frauen im Sport noch nicht genüge getan. Es wird spannend sein zu beobachten, ob es DAZN gelingt, DAZN Rise zu monetarisieren und unter Umständen irgendwann mit dem kostenpflichtigen Hauptprogramm zu fusionieren. Wir müssen weg von der Werbepause, hin zum Hauptprogramm. Wir müssen weg vom Nischenprodukt, hin zur Selbstverständlichkeit. Wir müssen weg von der Unterscheidung zwischen Frauenfußball und Fußball, zwischen Frauensport und Sport. Wir müssen hin zu einem gleichberechtigten Mix zwischen den Geschlechtern, zwischen den Sportarten, hin zu einem diversen Sport, der die Vielfalt unserer Gesellschaft mit Stolz abbildet. Und zwar sowohl auf dem Spielfeld als auch abseits der Spielfelder.

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