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Tausendmal berührt… - Eric Frenzels Kolumne
- Eric Frenzel
Eric Frenzel wurde am Wochenende beim Weltcup in Val di Fiemme disqualifiziert. In seiner Kolumne auf netzathleten.de schildert er, wie das passieren konnte.
Auf der Fahrt durch die Nacht nach Flossenbürg wundere ich mich noch immer über mich. Tausendfach vor Trainings-oder Wettkampfsprüngen sitzen die Handgriffe automatisch. Die Sprungski werden abgelegt. Man verbindet Ski und Schuhe und prüft den Sitz der Bindungen. Helm und Brille werden justiert. Der Brustreißverschluss sowie die Reißverschlüsse an den Ärmeln des Sprunganzugs werden geschlossen und dann geht es raus auf den Sitzbalken- man wartet auf die Fahne des Trainers, das Zeichen zum Start.
Trotz aller Automatisierungen und Routine ist mir auf dem Sprungturm von Predazzo dann das passiert, was nicht passieren darf und mir auch noch nie passiert ist. An meine Reißverschlüsse an den Ärmeln habe ich nicht gedacht und zog sie vor dem Sprung nicht mehr zu – ein Regelverstoß, den man mit Disqualifikation ahnden kann und den man in diesem Fall seitens der Jury so geahndet hat.
Einen Biathlet, der auf falsche Scheiben schießt oder einen Langläufer, der in die falsche Loipe einfährt, habe ich in der Vergangenheit schon erlebt - nun hat man in mir einen Kombinierer, der sich vor dem Sprung nicht richtig angezogen hat.
Die Disqualifikation war umso ärgerlicher als ich mit meinem Sprung den Teilwettbewerb wohl für mich entschieden hätte und mit einem guten Vorsprung in die Loipe gestartet wäre. Die Chance mit einem Tagessieg vorzeitig den Gesamtweltcup zu sichern, war zum Greifen nahe, wenn ich die entscheidenden, kleinen Handgriffe an den Ärmeln nicht vergessen hätte. Das Journalisteninteresse war dann so groß, wie bei einem Weltcup-Sieg: Hat man einen Vorteil beim Springen, wenn die Reißverschlüsse geöffnet bleiben? Hätte die Jury nicht nur eine Verwarnung aussprechen können oder sollen?
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Einen Vorteil beim Springen gibt es durch geöffnete Reißverschlüsse an den Ärmeln nicht. Dies wäre bei geöffnetem Brustreißverschluss etwas anders, da hierdurch leicht Luft in den Anzug käme und der Springer ein zusätzliches Luftpolster realisieren würde, was ihm im Ergebnis ein paar Meter weiter fliegen lassen würde. Um allem Erfindungsreichtum von Technikern und Sportlern zuvorzukommen, hat man im Reglement pauschal getextet, dass beim Sprung alle Reißverschlüsse geschlossen sein müssen- ohne wenn und aber. Die Strafe der Disqualifikation ist zwar eine harte, aber mir in diesem Fall auch zugleich die liebste. Bei der Verteidigung meines Gesamtweltcupsieges möchte ich nur auf eindeutig regelkonformen Wegen zum Ziel kommen. Deshalb habe ich die Disqualifikation ohne weiteres innerlich annehmen können.
Irgendwann auf der nächtlichen Fahrt schließe ich meinen Frieden mit der Angelegenheit. Nach so vielen guten Wettkämpfen in dieser Saison, passiert auch mal so etwas. Solche Fehler erden ungemein und sind Ansporn, noch genauer zu sein. Ich komme zu Hause an, lösche alle Lichter und freue mich irgendwie, dass mein Schlafanzug nur Knöpfe hat.
Herzlichst,
Eric
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