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"Wie bei einem Violinkonzert" – Marc Girardellis Fazit zur Ski-WM
- Nils Borgstedt
Zunächst einmal möchte ich noch auf das letzte Rennen der WM zu sprechen kommen – den Slalom der Männer. Jean-Baptiste Grange hat mit seinem Titel die Erwartungen erfüllt. Aus deutscher Sicht war das nicht so. Aber: Dass der Felix ausgeschieden ist, war das Beste, was ihm passieren konnte. Es muss eine Riesenschmach für ihn gewesen sein, dass er im Riesenslalom und auch im Slalom langsamer gewesen ist als Fritz Dopfer. Im Riesenslalom war Dopfer ja wirklich ganz gut, aber im Slalom war ich schon überrascht, dass er mit einer so miserablen Fahrt noch vor dem Felix platziert war. Mit Dopfer könnte aber der nächste starke Läufer für Deutschland kommen. Felix kann mit der WM nicht zufrieden sein.
Aber das kann der Deutsche Skiverband insgesamt nicht. Bei so einem Ergebnis, insgesamt nur zwei Bronzemedaillen durch Maria Riesch, muss der DSV enttäuscht sein. Wenn man bedenkt, dass im Vorfeld vier, fünf, sechs Medaillenkandidaten an den Start gingen; vor allem im Slalom und Riesenslalom hätte mehr drin sein können. Die Riesch-Schwestern, Viktoria Rebensburg, Kathrin Hölzl – das sind alles Mädels, die Medaillen holen können. Pech hatte das deutsche Team mit den Verletzungen beziehungsweise Krankheiten. Kathrin Hölzl beispielsweise kann man da keinen Vorwurf machen – mit starken Muskelschmerzen kann man keine Leistung bringen, das ist klar.
Es hätten ja nicht gleich vier Goldmedaillen in fünf Wettbewerben sein müssen, wie bei Österreich, aber etwas mehr als die zwei Bronzemedaillen von Maria Riesch hätten schon sein sollen. So ist das Gesamtergebnis für den DSV enttäuschend.
Görgl – die Überraschungsläuferin
Österreich hatte mit Elisabeth Görgl die Überraschungsläuferin der WM in seinen Reihen. Sie war sicherlich eine Medaillenfahrerin, aber eigentlich keine Siegläuferin. Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Favoritinnen bei den Damen, Maria Riesch und Lindsey Vonn, nicht auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit waren. Maria Riesch war krank während der WM, Lindsey Vonn von einem Trainingssturz gehandicapt. Das hat Görgl genutzt. Sie hat ein wenig mehr Leistung gebracht als normal, die anderen ein bisschen weniger und so hat sie sich zwei Goldmedaillen geholt. Wie eng es für sie war, sieht man vor allem im Super-G, in dem sie nur fünf Hundertstel vor Julia Mancuso aus Amerika geblieben ist. Ihre Siege sind aber trotzdem gerechtfertigt. Schon vor einem Jahr bei Olympia hat sie mit sehr guten Leistungen gezeigt, dass man mit ihr rechnen muss. Schließlich hat sie zwei Mal Bronze geholt.
Die österreichischen Herren dagegen haben die Medaillenränge beinahe total ausgelassen. Nur Hannes Reichelt (Silber Super-G) und Philipp Schörghofer (Bronze Riesenslalom) konnten Medaillen holen. Dafür haben die Mädchen etwas mehr geholt. Ich denke das ist einfach ausgleichende Gerechtigkeit. Andersrum war es ja auch schon oft bei Großereignissen der Fall.
Zur Person: Marc Girardelli
Marc Girardelli ist einer der erfolgreichsten alpinen Skirennläufer aller Zeiten. Er startete für Luxemburg und ist seit 1987 auch Luxemburger Staatsbürger. Zwischen 1985 und 1993 gewann der gebürtige Österreicher fünfmal den Gesamtweltcup – Rekord bei den alpinen Herren. Der vierfache Weltmeister gewann insgesamt 13 Medaillen bei Großereignissen. Heute organisiert er Ski-Events und hat eine Skimode-Linie.
Ich freue mich für Italien
Konnte man bei den Österreichern noch mit Medaillen rechnen, kam es bei den Italienern sehr überraschend, allen voran bei Christof Innerhofer mit einer Medaille in jeder Wertigkeit. Seine Erfolge haben eine Welle ausgelöst, die durch das italienische Team geschwappt ist. Auf einmal konnte einer Slalom fahren, der – überspitzt ausgedrückt – in seinem Leben noch nie eine Slalomstange gesehen hat – Fill und Innerhofer. Das war insgesamt eine sehr überzeugende Leistung von der Mannschaft. Genauso Manfred Moelgg. Der hat in der Saison noch keine so überzeugenden Leistungen geboten und hat dann hier in Garmisch im Slalom Jean-Baptiste Grange sicherlich Paroli bieten können. Ich freue mich für die Italiener.
Bunter Medaillenspiegel
Ein positiver Aspekt dieser WM war sicherlich, dass so viele Nationen Medaillen gewonnen haben. Nicht nur immer zwei oder drei. Die Kanadier mit der Abfahrt der Herren, die Slowenen mit dem Riesenslalom der Damen – das waren alles sehr positive Ereignisse bei der WM.
Abseits der Fahrer und ihren Leistungen gab es in meinen Augen noch zwei Besonderheiten. Einerseits die super Organisation. Da gibt es nichts zu rütteln. Die Verhältnisse mit diesem warmen Wetter waren wirklich nicht einfach und die Pisten trotzdem in sehr gutem Zustand.
Die zweite Auffälligkeit ist weniger erfreulich. Wenn man während der zwei WM-Wochen durch das Dorf gelaufen ist, war es kein bisschen anders als ob man irgendwann im Frühjahr oder Herbst durch Garmisch geht. Im Sommer ist sicherlich noch bisschen mehr los. Wenn man nicht gewusst hätte, dass in Garmisch gerade eine Ski-WM stattfindet, hätte man es nicht gemerkt. Kein Transparent, keine Fangruppe, an den Wirtschaften hing nichts draußen – es war wie ausgestorben. Ausnahme waren die zwei, drei Zelte, die im Park aufgestellt waren, wie der Tirol-Berg, Casa Italia oder auch das Audi-Haus. Dort waren verschiedene Veranstaltungen, aber im Ort selber: Null Wirbel. Im Vergleich zu anderen Weltcupveranstaltungen war das richtig ernüchternd und eigentlich schade. Es war schließlich generell eine gut organisierte WM. Aber von Seiten der Bevölkerung ist das überhaupt nicht übernommen worden. Auch im Hinblick auf die Olympiabewerbung ist das nicht optimal, wenn man zwar eine tolle Veranstaltung macht, aber von der Bevölkerung nimmt niemand Notiz davon. Da muss man sich schon überlegen, ob es sinnvoll ist hier eine Olympiade zu veranstalten, bei der sich dann 15.000 Zuschauer in den Zielraum verirren.
Insgesamt gab es hier aber sehr spektakuläre und spannende Wettkämpfe zu sehen. Aber die Stimmung rundherum war, wie gesagt, nicht optimal. In der zweiten Woche war sie zwar besser, aber dennoch nicht überragend. Der Stadionsprecher hat versucht Stimmung zu machen, aber die Tribüne ist sitzengeblieben, als ob ein Violinkonzert stattfindet.
Spannend waren die Wettkämpfe dennoch und die Tage, die ich in Garmisch erlebt habe, waren schön und interessant. Ich freue mich auf die kommenden Weltcuprennen und bin gespannt wie sie ausgehen. In zwei Jahren in Schladming werden die Österreicher Gastgeber sein. Mal sehen, wer bis dahin noch so gut dabei ist, dass er oder sie den Titel verteidigen kann.
Alles Gute,
Euer Marc Girardelli