Der WM-Ausblick - Jens Filbrich im Interview picture-alliance

Der WM-Ausblick - Jens Filbrich im Interview

  • Nils Borgstedt
Jens Filbrich gibt im Interview einen Ausblick auf die Nordische Ski-WM 2011, die vom 23.02. bis 06.03.2011 in Oslo ausgetragen wird. Wie stehen die Chancen der Deutschen Mannschaft? Was macht für Filbrich die Strecke am Holmenkollen aus? Wer sind die Favoriten?

Netzathleten: Du hast den Weltcup in Rybinsk ausgelassen und bist stattdessen ins Trainingslager nach Toblach in Südtirol gefahren. Was hast Du Dir genau vorgenommen für die wettkampffreie Zeit? Wie läuft die WM-Vorbereitung?
Jens Filbrich: Für mich persönlich war es wichtig, vor der WM nochmal einen richtigen Trainingsblock in die Vorbereitung einzubauen, daher der Verzicht auf den Weltcup in Rybinsk. Unmittelbar vor der WM ist dann der Weltcup in Drammen sozusagen die Generalprobe. Dort werde ich wieder dabei sein.
Im Trainingslager hier in Toblach machen wir schon mal den Feinschliff. Im Hinblick auf die WM ist das ein sehr guter Trainingsaufbau. Dann hoffe ich natürlich auf einen guten Wettkampf in Drammen und werde bei der WM als erstes die 30 Kilometer Verfolgung laufen.

Netzathleten: Was hast du dir für die WM als Ziel gesetzt?
Jens Filbrich: Wie immer in den letzten Jahren versuche ich natürlich, wieder eine Medaille mit nach Hause zu bringen. Das ist mir eigentlich immer gelungen – letztes Jahr Olympia mal ausgenommen. Ich hoffe, dass wir auch dieses Mal wieder eine schlagkräftige Truppe in Oslo am Start haben und in den Staffelwettbewerben um Medaillen kämpfen können. Für mich persönlich hoffe ich natürlich auch auf gute Einzelresultate. Ich will auf jeden Fall in die Top 10 laufen. Und wenn es wirklich gut läuft, kann ich sicherlich auch an eine Einzelmedaille hinschnuppern. Ziel ist auf jeden Fall eine Medaille, egal in welcher Disziplin oder in welcher Farbe.

Netzathleten: Die WM findet in Oslo am Holmenkollen statt. Was macht den Holmenkollen für dich aus?
Jens Filbrich: Die Strecke am Holmenkollen ist für einen Ski-Langläufer das Nonplusultra, wie Wimbledon für Tennisspieler oder Wembley für Fußballer. Ich persönlich habe auch sehr gute Erinnerungen an den Holmenkollen, ich war dort schon mal zweiter über 50 Kilometer. Außerdem verbinde ich mit der Strecke sehr, sehr viele Zuschauer und viel Enthusiasmus. Für Norweger ist schließlich Ski-Langlauf die Sportart Nummer Eins. Und ich denke, das werden wir auch bei dieser Weltmeisterschaft sehen. Ich freue mich auf spannende Rennen, viele Zuschauer und eine tolle Stimmung. Wenn ich an Norwegen denke, kommen mir immer wieder Höhepunkte, wie Olympia in Lillehammer 1994 oder die WM 1997 Trondheim in den Kopf – dort waren unglaubliche Zuschauermassen.

Netzathleten: Birgt es nicht auch ein wenig Gefahr, wenn eine solche Zuschaueranzahl vor Ort ist und zum größten Teil die norwegische Mannschaft unterstützt. Ähnlich wie bei einem Auswärtsspiel beim Fußball?
Jens Filbrich: Nein, ich freue mich einfach auf die zahlreichen Zuschauer. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass die Norweger eine sehr faires Publikum sind und wirklich alle Nationen anfeuern. Mich motiviert das eher. Ich denke, das norwegische Team hat durch die Fans viel mehr Druck. Jeder erwartet, dass sie zu Hause etwas reißen. Bei so einer großen Erwartungshaltung werden Läufer wie Björgen oder Northug nur an Goldmedaillen gemessen. Wir, als kleine deutsche Mannschaft, können da eigentlich befreit auflaufen und uns einfach nur auf die Stimmung freuen.


Netzathleten: Worauf kommt es an, wenn man sich mit so starken Läufern wie Dario Cologna oder Pettr Northug misst? Wie kann man sie schlagen?
Jens Filbrich: Diese Läufer zu schlagen ist verdammt schwierig. Ich denke, man muss in Wettkämpfen wie der 30 Kilometer Verfolgung auch als Mannschaft gut auftreten. Für uns ist das aber gerade dieses Jahr sehr schwierig, weil wir die ganze Saison über mit Krankheiten und Verletzungen zu kämpfen hatten. Wir müssen erst einmal zusehen, dass wir viele gute und fitte Athleten an den Start bringen. Von da her wird es für uns schon ziemlich schwierig als Mannschaft dagegen zu halten. Anders ist es beim 15 Kilometer Einzelstart. Da läuft jeder für sich alleine, da wird kein Windschatten geboten, da muss man sein eigenes Rennen gestalten und da gibt es dann sicherlich mehr Chancen, die Northugs und Colognas zu schlagen. Aber wenn es Mann gegen Mann geht, dann ist es sehr schwer gegen so geschlossene Mannschaften zu laufen. Die Schweden haben das ja letztes Jahr bei Olympia demonstriert und haben dann ja auch Gold und Bronze über 30 Kilometer geholt.

Netzathleten: Was erwartest Du Dir von der deutschen Mannschaft?
Jens Filbrich: Zu allererst hoffe ich, dass wir alle gesund an den Start gehen können. Ich persönlich hatte bisher einen guten Saisonverlauf, bin zufrieden und auch gut in Schuss. Wenn wir alle fit sind, denke ich als erstes an die Männerstaffel und dass wir vier schlagkräftige Männer am Start haben. Staffeln haben immer ihre eigenen Gesetze. Da geht einiges und ich hoffe, auch für die Damen, dass es in diesen Wettbewerben dann auch für uns klappt.

Netzathleten: Wer sind Deine Favoriten für die WM Medaillen, sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen?
Jens Filbrich: Die drei Olympiasieger, also Petr Northug, Dario Cologna und Marcus Hellner sind in meinen Augen auch die Topfavoriten. Sie haben auch in diesem Winter wieder bewiesen, dass sie absolute Siegläufer sind. Dazu kommt Lukasz Bauer, der immer für eine Medaille gut ist. Gerade über 15 Kilometer klassisch Einzelstart zählt er für mich zum Favoritenkreis. Nach diesen Vieren kommen etwa 15 bis 20 Läufer, die an einem guten Tag vorne rein laufen können. Da zähle ich mich selbst dazu, aber auch Axel Teichmann und Tobias Angerer.
Bei den Damen führt eigentlich kein Weg an Marit Björgen aus Norwegen und der Polin Justyna Kowalczyk vorbei. Die beiden werden wahrscheinlich die Gold- und Silbermedaillen unter sich ausmachen. Für Bronze kommen dann auch nur drei, vier weitere Athletinnen in Frage: Petra Majdic, Theres Johaug, Kristin Störmer Steira und schließlich Charlotte Kalla aus Schweden.

Netzathleten: Und wie siehst Du die Chancen der deutschen Damen?
Jens Filbrich: Unsere Damen haben in meinen Augen nur Außenseiterchancen. In den Einzelwettbewerben, wären Top-Ten-Platzierungen schon gute Ergebnisse. An Einzelmedaillen ist hier leider nicht zu denken. Aber bei den Damen ist in den Staffelwettbewerben immer etwas drin. Aus den unmöglichsten Situationen haben sie schon Medaillen rausgeholt. Ich denke, das ist auch dieses Jahr möglich.

Netzathleten: Genau wie vor einem Jahr bei Olympia, als die Damenstaffel Silber über 4 x 5km geholt hat.
Jens Filbrich: Richtig…


Netzathleten: Olympia kursiert derzeit trotz eines nicht-olympischen Jahres immer wieder in den Medien. „Schuld“ daran ist Münchens Bewerbung um die Winterspiele 2018. Wäre es Deiner Meinung nach gut die Winterspiele nach Deutschland zu vergeben?
Jens Filbrich: Ganz klares Ja. Ich war schon drei Mal bei Olympischen Spielen dabei und habe miterlebt, was für eine unglaubliche Stimmung bei Olympia herrscht und was Olympische Spiele für ein Land bedeuten. Das wird ein absolutes Highlight und wann hat man schon mal die Chance, Olympische Winterspiele in München auszurichten? Andere Großereignisse in Deutschland, wie die Fußball-WM 2006 oder die Handball-WM 2007 oder auch die eine oder andere WM im Biathlon oder die Nordische Ski-WM 2005 waren echte Highlights. Hier hat Deutschland gezeigt, wie man große Events feiern und organisieren kann. Man muss also wirklich alles dafür tun, dass 2018 die Olympischen Spiele in München ausgetragen werden.

Netzathleten: Na dann warten wir mal gespannt auf die Vergabe im Juni. Vielen Dank für das Gespräch und schon mal alles Gute für die WM.
Jens Filbrich: Vielen Dank.

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten