Interview mit Marc Girardelli zur Ski-WM Marc Girardelli

Interview mit Marc Girardelli zur Ski-WM

  • Derk Hoberg
Marc Girardelli (47) ist einer der erfolgreichsten Skirennläufer aller Zeiten. Zwischen 1985 und 1993 gewann der gebürtige Österreicher, der für Luxemburg an den Start ging, fünfmal den Gesamtweltcup – Rekord bei den alpinen Herren. Der vierfache Weltmeister wird als netzathleten-Experte die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen mit seiner Kolumne begleiten. Im Exklusiv-Interview vor der WM spricht er über die Gefahren des alpinen Rennsports.

 

netzathleten: Marc Girardelli, wie gefährlich ist der Skisport heutzutage, gerade angesichts der schlimmen Stürze in jüngster Vergangenheit?
Marc Girardelli: Der Skisport ist heutzutage nicht gefährlicher als früher. In diesem Jahr gibt es in manchen Gebieten der Alpen etwas weniger Schnee als normalerweise. Dadurch sind die Pisten wesentlich unruhiger als sonst. Mit weniger Schnee kann man die Pisten eben nicht so gut präparieren.

netzathleten: Warum finden die Rennen dann trotzdem statt? Ist der alpine Wintersport nur noch ein für das Fernsehen inszeniertes Spektakel, das auf Kosten der Gesundheit der Rennläufer geht?
Marc Girardelli: Sagen wir es so: Generell ist der Skisport nicht unattraktiver geworden durch die Stürze der vergangenen Zeit. Im Gegenteil, es kommen scheinbar mehr Zuschauer, weil Stürze Passieren. Das ist paradox, aber dieser Sport lebt wie die Formel 1 von dem Grenzbereich, in dem sich die Athleten bewegen.

netzathleten: In der Formel 1 wird mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen reagiert. Ist im Skisport nicht derzeit ein Limit erreicht, an dem man den Entwicklungen einen Riegel vorschieben muss?
Marc Girardelli: Die FIS denkt ständig über weitere Sicherheitsvorkehrungen nach. Leider gibt es bisher noch keine richtigen Lösungen. Bei der Formel 1 darf man außerdem nicht vergessen, dass die Rennen immer auf den gleichen Kursen stattfinden, die Strecke ist aus Asphalt und die Reifen aus Gummi. Beim Skisport gibt es weitaus mehr Faktoren, die eine Rolle spielen. Nehmen wir eine Abfahrt wie die in Gröden. Wenn diese Strecke eisig ist, ist sie ein Höllenritt – eine der schwersten Abfahrten im Weltcup. Wenn es dort aber über Nacht fünf Zentimeter Neuschnee gibt, fährt meine Großmutter dort schneller runter als ich, sofern sie einen schnellen Ski erwischt.

netzathleten: Hinzu kommen individuellen Fahrfehler als Gefahrenherd. Wie steht man als Athlet dazu, wenn ein solcher Fehler, wie der bei Hans Gruggers Sturz in Kitzbühel, so tragisch endet?
Marc Girardelli: Es ist zunächst verwunderlich, dass Grugger beim Sprung in die Mausefalle so schlimm gestürzt ist. Dort ist noch nie etwas Gravierendes passiert, die schwierigere Stelle ist eigentlich die Kompression nach der Mausefalle. Es ist aber jedem Läufer bewusst, was ein Fahrfehler bei diesen Geschwindigkeiten bedeuten kann, mit allen Konsequenzen. Um dieses Risiko zu eliminieren, dürfte man überhaupt keine Speed-Disziplinen mehr fahren. In der Konsequenz müsste man sogar den Riesenslalom und vielleicht sogar den Slalom verbieten. Dort hat es auch schon schwere Stürze gegeben, weil dieser Sport nun mal im Grenzbereich betrieben wird. Wenn man im Slalom bei höherem Tempo ausgehoben wird und unglücklich landet, kann man sich auch in dieser Disziplin das Genick brechen.

netzathleten: Jetzt beginnt die Ski-Weltmeisterschaft. Wie sicher sind denn die Strecken bei der WM in Garmisch-Partenkirchen?
Marc Girardelli: Die Kandahar-Abfahrt ist eine schwierige Hochgeschwindigkeitsstrecke. Sie ist sehr selektiv. Das heißt, das Rennen wird keine Materialschlacht, sondern der beste Abfahrer wird gewinnen. Die Piste ist sehr schattig und die Sicht nicht optimal, weil der Hang nordseitig liegt. Andererseits liegt die Strecke im Wald und man hat bei Nebel oder schlechtem Wetter noch mehr Kontrast als bei anderen Abfahrten, die oberhalb der Baumgrenze liegen. Was die Sicherheitsvorkehrungen angeht, ist sehr viel geschehen in den letzten Jahren, da kann man nicht mehr machen. Die FIS und die Veranstalter können da keinen fünften Fangzaun hin bauen oder die Torsetzung noch weiter anpassen. Da müsste man noch Bäume fällen, um das Tempo durch eine weitläufigere Kurssetzung zu verlangsamen. Die WM wird aber perfekt organisiert sein, so wie immer wenn ein Großereignis in Deutschland stattfindet.

netzathleten: Wer wird der große Gewinner der alpinen Ski-WM?
Marc Girardelli: Bei den Männern habe ich Bode Miller auf der Rechnung, der hat mir in der letzten Zeit einen sehr starken Eindruck gemacht. In den Speeddisziplinen sicherlich der Hauptkonkurrent von Kitzbühel-Sieger Didier Cuche und dem Abfahrtsweltmeister von 2003, Michael Walchhofer. Bei den Frauen gibt es eigentlich nichts Neues. Da läuft alles auf das große Duell zwischen Lindsay Vonn und Maria Riesch hinaus. Ein Duell, das dem Skisport gut tut, denn die beiden machen auch abseits der Piste etwas her.

netzathleten: Gibt es im Skisport so etwas wie einen Heimvorteil und können die DSV-Läufer diesen nutzen?

Marc Girardelli: Ich denke nicht. Die Strecken in Garmisch sind ja normalerweise Pisten, die den Touristen zur Verfügung stehen. Ich glaube nicht, dass eine Maria Riesch wesentlich mehr Fahrten unter Trainingsbedingungen dort hat als Lindsay Vonn. Es wird sich im Kopf der Athleten entscheiden, wer dort gut fährt.

netzathleten: Maria Riesch bewies in der Vergangenheit häufig ihre mentale Stärke. Ein Pluspunkt für sie?

Marc Girardelli: In der Tat. Kompliment hierfür an die Maria. Immer dann, wenn es darauf ankam, zeigte sie, wie stark sie ist. Vor allen Dingen zeigen andere Läuferinnen ihre Stärke erst auf der Strecke, Maria strahlt schon bevor sie in die Bindung steigt eine unglaubliche Stärke aus.

 

netzathleten: Vielen Dank für das Gespräch Marc, wir sind gespannt auf Deine Kolumne!

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