Freeride - Sicherheits-Tipps für abseits der Piste
- Derk Hoberg
Das Alpbachtal ist für sein beschauliches Dorfleben und die idyllische Bergkulisse bekannt. Weit weniger bekannt ist das Hinterland des Tals, das als Eldorado für Tiefschnee-Fans gilt. Hier findet man noch die verborgenen Winkel und unberührten Schneelandschaften, die das ultimative Tiefschnee-Erlebnis garantieren. Dass in dieser verträumten Alpenidylle ein Mann lebt, der mehrere Weltrekorde im Guinness-Buch verzeichnen konnte, würde man nicht erwarten.
Johann Schneider ist der wohl berühmteste Skilehrer der Region. Vermutlich hat ihn jeder von uns schon einmal gesehen, denn er trat mehrmals als Kandidat bei „Wetten dass...“ auf. Und sogar in den USA holte man ihn mit der Strechlimo vom Flughafen ab, als er beim Weltbekannten Jay Leno als Stargast in der „Tonight Show“ neben Heidi Klum auftrat und auch hier einen neuen Guiness Rekord aufstellte. Die Liste seiner Rekorde ist lang. Der Skilehrer und Bergbauer ist Staatsmeister im Karate, hält unzählige Weltrekorde im Liegestützmachen auf rohen Eiern, Bierflaschen und Nägeln. Zudem beherrscht er als Weltmeister im „Nunchaku“ Bruce Lees Schlagstöcke wie kein zweiter.
Weil Johann Schneider auch noch in mehr als 80 Fernsehfilme als Stuntman und Stuntkoordinator engagiert wurde, um halsbrecherische Heldentaten in Fels und Eis zu vollbringen, ist er der geeignete Mann, um Sicherheitstipps abseits der Piste zu geben. Obwohl die unberührten Tiefschneehänge den ultimativen Kick verheißen, geht Schneider im freien Gelände garantiert keine Wetten ein. Denn das Fahren abseits der präparierten Skipisten birgt auch Gefahren in sich. Aktuellen Erhebungen zufolge bezahlen allein in den Alpen jährlich mehr als 100 Menschen ihren „Tiefschneerausch“ mit dem Leben. Dabei wären fast alle Lawinenunfälle vermeidbar, denn gut 90 Prozent aller Opfer lösen die Lawine selbst aus.
„Für mich gilt die Sicherheit als oberstes Gebot. Die richtige Ausrüstung, viel Erfahrung und das angepasste Verhalten spielen eine große Rolle“, so Schneider. Das LVS-Gerät, Sonde, Schaufel und sogar ein ABS-Airbag sollten bei keinem Ritt über die Tiefschneehänge fehlen. So ausgerüstet steht einem traumhaften Skierlebnis also nichts mehr im Wege. Oder? Nicht ganz, denn abseits der Piste lauern noch andere Gefahren, die auf Unwissenheit und tödliche Irrtümer beruhen.
Im Interview räumt Johann Schneider mit den häufigsten Fehleinschätzungen in Sachen Lawinengefahr auf.
Der Klassiker unter den Fehleinschätzungen: Bereits befahrene Tiefschneehänge sind ungefährlich…
Schneider: Selbst wenn 500 Spuren auf dem Hang zu sehen sind, heißt das nicht automatisch, dass der Hang sicher ist! Die Schneedecke steht unter Spannung und weist an gewissen Stellen so genannte Schwächezonen auf. Es kann durchaus sein, dass mehrere Skifahrer einen Hang problemlos durchfahren, ohne eine dieser Schwächezonen zu erwischen. Deshalb darf man Tiefschneehänge, in denen bereits Skispuren sind, nie als ungefährlich einstufen.
Ein fataler Trugschluss: Nach drei Tagen Schönwetter ist der Tiefschnee gefahrlos…
Schneider: Wenn nach schneereichen Tagen die Sonne scheint und die Temperaturen frostig bleiben, bedeutet das keine Entspannung der Lawinengefahr. Minusgrade können die Situation sogar verschärfen. Es stimmt zwar, dass sich die Schneedecke durch Sonneneinstrahlung setzt und verfestigt. Die Spannung nimmt ab und der Hang wird stabiler. Dieser Prozess hängt aber untrennbar mit der Lufttemperatur zusammen.
Das moderne Märchen: Im Notfall kann ich einer Lawine davonfahren…
Schneider: Einer Staublawine die bis zu 400 km/h hat fährt man nicht so einfach davon. Selbst ein „langsames“ Schneebrett donnert mit bis zu 70 km/h ins Tal. Man sieht in den Freeride Videos, wie die Jungs den Lawinen im Schuss davonfahren. So etwas muss man aber unbedingt den Profis überlassen.
Ein alter Mythos: Im bewaldeten Gebiet besteht keine Lawinengefahr…
Ein fataler Trugschluss dem schon zahlreiche Skifahrer zum Opfer gefallen sind. Denn wirklich sicher ist selbst das bewaldete Gebiet nicht automatisch. Außerdem steht der Naturschutz hier im Vordergrund, es ist auch in dieser Hinsicht nicht ratsam durch den Wald zu fahren.
Die trügerische Sicherheit: Im Lawinenlagebericht steht, die Gefahr ist nur „mittelgroß“…
Schneider: Der fünfstufige Lawinenlagebericht, der täglich aktualisiert wird, ist das wichtigste Informationsmedium für Variantenfahrer. Doch nur, wenn man ihn richtig zu lesen vermag. Stufe drei, die viele für „mittlere Gefahr“ halten, ist bereits das höchste aller Risiken, das Profis eingehen würden. Doch gerade hier passieren die meisten Unfälle, weil viele die Gefahr unterschätzen. Selbst bei Warnstufe zwei können Lawinen abgehen. Grundsätzlich kommt es immer auf das Wie an.
Besser einmal uncool als für immer kühl
Generell rät der Experte Vorsicht walten zu lassen, besser einmal uncool als für immer kühl zu sein. Im Ski Juwel gibt es viele Möglichkeiten, sich Rat von den Experten zu holen und auch mit ihnen die Ausfahrt ins freie Gelände zu unternehmen.
Kurz und bündig: Tipps zum Freeriden vom Profi
• Fahren Sie abseits der präparierten Skipiste niemals alleine.
• Zur Ausrüstung, die Variantenfahrer immer dabei haben sollten, zählen: eingeschaltetes LVS-Gerät, Sonde, Schaufel, Handy, Airbag.
• Im Schüttkegel einer Lawine ist der Schnee hart wie Beton.
• Erfahrung: Achten Sie auf das Wetter und holen Sie sich Rat vom Experten.
• Ab Stufe 4 bleibt man auf der gesicherten Piste.
• Verhalten: Besser einmal uncool als für immer kühl.
Mehr Informationen zu Johann Schneider unter: www.skischulejohannschneider.at