Geschichte Bahnradsport – Wer hat´s erfunden?
- Martin Imruck
Vom Luxusgut zum Massenphänomen
Erste Vorläufer des Fahrrads, wie das Lauf- oder das Hochrad, entstanden bereits Anfang beziehungsweise Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gilt das Radfahren lediglich in den gehobenen Schichten der Gesellschaft als Zeitvertreib. Zwei wichtige Innovationen, der Kettenantrieb (1878) und die Einführung des Luftreifens (1888), trugen dann dazu bei, dass die Fahrradproduktion zu einem Zweig der Massenindustrie werden konnte. Immer mehr Menschen aller Gesellschaftsschichten infizierte der Fahrrad-Virus und auch der Wettkampfgedanke keimte auf.
Eines der ersten Bahnradrennen der Welt fand 1868 in Paris statt. In den Folgejahren baute man vielerorts neue Bahnen, sodass immer mehr Rennen und schließlich 1893 die erste Bahnrad-Weltmeisterschaft in Chicago ausgetragen werden konnten. Bereits drei Jahre danach fand sich das Bahnradfahren schon im Programm der Olympischen Spiele von Athen wieder. 1900 wurde dann der Internationale Radsport-Weltverband (UCI) gegründet, der mit Reglementierungen die Sportart weiter vorantrieb und etablierte.
Die Strecken
Das Grundgerüst jeder Radrennbahn (Velodrom) besteht aus einer ovalen Strecke mit zwei sich jeweils gegenüber liegenden 180-Grad-Kurven und zwei Geraden. Der Streckenuntergrund ist entweder aus Holz oder Beton. Nach den Richtlinien der UCI sind alle Rennradbahnen zwischen 133 und 500 Metern Länge für Wettkämpfe zugelassen. Für olympische Rennen beträgt die Länge einer Runde mindestens 250 Meter.
Die Bahnbreite liegt generell zwischen fünf und acht Metern, wobei der Sicherheitsstreifen an der Innenkante der Bahn nochmal zwischen zwei und vier Meter Breite misst. Gefahren wird meist gegen den Uhrzeigersinn. Drei farbige Linien auf der Bahn legen folgende Dinge fest:
- Die Schwarze Linie markiert die Länge der Strecke (20 cm vom Innenrand)
- Die Rote Linie für Sprint-Rennen (90 cm vom Innenrand) legt fest, dass ein Fahrer, der zwischen roter Linie und Innenrand fährt, nur Außen überholt werden darf
- Die Blaue Linie erfüllt den gleichen Zweck beim Madison und Steherrennen (270 cm vom Innenrand)
Wesentliche Unterschiede zum Rennrad
Beim Vergleich zwischen einem Renn- und einem Bahnrad fallen gleich zwei wesentliche Unterschiede auf. Zum einen besitzt ein Bahnrad keine Bremsen. Die Fahrer lassen sich nach dem Rennen ausrollen und verringern durch das Anfahren der geneigten Außenbahn ihre Geschwindigkeit. Der zweite zentrale Unterschied ist, dass die Bahnräder über keine gewöhnliche Gangschaltung verfügen. Eine feste Übersetzung wird vor dem Rennen eingestellt. Sie legt gleichzeitig die Taktik der Fahrer fest und bleibt über die gesamte Renndauer bestehen.
Weitere Unterschiede zwischen Renn- und Bahnrad:
- Bahnräder sind anders bereift (27 Zoll Schlauchreifen) sog. Scheibenräder
- Rahmengeometrie:
- Radstand kürzer (95 cm)
- Tretlager höher um Bodenkontakt zu vermeiden
- Sitz steiler angebracht?aerodynamischere Haltung als Rennradfahrer
- Pedalkurbel kürzer wegen der höheren Tretfrequenz
- Steuerrohr kürzer, um direkte Lenkung zu gewährleisten
- Leichter gebaut und nicht auf Stabilität ausgerichtet (Stichwort: Kohlefaser)
Gut 13 Disziplinen werden heute im modernen Bahnradsport unterschieden. Außerdem gibt es noch Steherrennen und Tandemwettbewerbe, welche seit 1972 nicht mehr olympisch sind. Weltmeisterschaften werden in beiden Disziplinen seit 1994 nicht mehr gefahren. Für Steher gibt es lediglich eine Europameisterschaft. Die Tandem-Disziplin ist jedoch bei den paralympischen Spielen im Programm.
Sprint: Diese Disziplin gilt als Königsdisziplin des Bahnradsports. Ein Grund dafür ist, dass der Wettkampf schon seit 1893 bei Weltmeisterschaften und 1896 bei olympischen Spielen im Programm ist. Zwei oder drei Fahrer treten im K.O.-System gegeneinander an. Nur der Fahrer, der als Erstes ins Ziel kommt, erreicht automatisch die nächste Runde. Die übrigen Starter haben anschließend noch die Gelegenheit über so genannte Hoffnungsläufe weiterzukommen.
Keirin: Diese junge Disziplin hat ihren Ursprung in Japan und wird vermehrt unter dem Synonym Kampfsprint geführt. Dabei fährt ein Tempomacher (Derny) einem bis zu sechs Fahrern starkes Feld voran und bringt das Feld innerhalb von fünf Runden auf eine Geschwindigkeit von 50 km/h. Die Reihenfolge der Starter wird vor dem Rennen ausgelost und während der ersten fünf Runden ist es verboten zu überholen oder Abstände entstehen zu lassen. Nach fünf runden wird das Rennen freigegeben und es entscheidet sich innerhalb der letzten drei Runden, wer gewinnt. Erstmals olympisch war Keirin 2000 in Syndey. Seit 2012 wird auch bei den Frauen im Keirin eine Olympiasiegerin gesucht.
Mannschaftssprint: Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine relativ junge Kurzzeit-Disziplin. Genau wie im Keirin werden die männlichen Wettbewerbe seit 2000 und die weiblichen Mannschaftssprints seit 2012 auf olympischer Ebene ausgetragen. Im Rennen selbst starten bei den Männern drei, bei den Frauen nur zwei Fahrer. Jeder der Fahrer muss eine Runde Führungsarbeit für den Rest der Mannschaft leisten. Für die Führungswechsel steht den Fahrern eine 15 Meter-lange Wechselzone zur Verfügung. Pro Mannschaftssprint treten immer zwei Mannschaften gegeneinander an. Sie starten jeweils auf den gegenüberliegenden Geraden und versuchen die gegnerische Mannschaft einzuholen oder die schnellere Zeit zu fahren. Die Zeit wird erst gestoppt, wenn der letzte Fahrer eines Teams über die Ziellinie gefahren ist.
Mannschaftsverfolgung: Dieser Wettbewerb ist bei den Männern eine der ältesten Disziplinen und wird seit 1908 bei Olympia ausgetragen. Heute wird über eine Distanz von 4.000 Metern gestartet. Bei den Frauen wurde der Wettbewerb erst wieder 2012 in London olympisch. Im Vergleich zu den Männern starten nur drei an Stelle der vier Fahrer und fahren auch nur über eine Distanz von 3.000 Metern. Mannschaften starten wieder gegenüberliegend, können im Vergleich zum Mannschaftssprint aber die Führungsarbeit jederzeit wechseln. Die Zeit des dritten Fahrers wird gemessen, was bedeutet, dass bei den Herren ein Starter unterwegs „verloren“ gehen darf.
Omnium: Die jüngste Disziplin im Bahnradsport ist Omnium. Ein Vielseitigkeitswettbewerb, bei dem insgesamt sechs Kurzzeit- und Ausdauerdisziplinen gefahren werden. Die gleichwertigen Wettbewerbe werden in der Endabrechnung zusammengefasst. Je nach Platzierung werden in jedem Rennen Punkte vergeben. Gute Platzierung = wenig Punkte. Wer am Ende insgesamt die wenigsten Punkte hat, hat gewonnen. Bei Punktgleichheit entscheidet die schnellere Gesamtzeit.
Einzelzeitfahren: Einer der älteren Kurzstreckenwettkämpfe, welcher auf 1.000 Meter (Männer) und 500 Meter langen Strecken (Frauen) ausgetragen wird. Bei Olympia wird das Einzelzeitfahren heute nur noch als sechste und abschließende Disziplin des Omniums ausgetragen.
Punktefahren: Diese Ausdauerdisziplin ist bei Olympia ebenfalls nur noch Bestandteil des Omniums. Ein großes Fahrerfeld (etwa 20Fahrern) geht gleichzeitig auf die Strecke und muss eine Strecke von 30 km oder 40 km (Herren) und 20 km oder 25 km (Frauen) bewältigen. Für verschiedene Leistungen, wie Führungsrunden, Sprintwertungen oder Überrundungen werden Punkte vergeben oder abgezogen. Am Ende gewinnt der Fahrer mit den meisten Punkten.
Malfahren (Scratch Race): Auch hierbei handelt es sich um eine Ausdauerdisziplin, die im Omnium bei olympischen Spielen vertreten ist. Der Verlauf ist ziemlich simpel. Eine Fahrergruppe von etwa 20 Fahrern fährt ein Rennen mit einer Streckenlänge von 15 Kilometern (10 km bei den Frauen). Der erste Fahrer im Ziel gewinnt das Rennen.
Einerverfolgung: Beim vierten Bestandteil des Omniums starten zwei Fahrer gleichzeitig auf den gegenüberliegenden Geraden. Für beide Fahrer ist das Ziel, die möglichst schnellere Zeit zu fahren, wobei es unwesentlich ist, ob ein Fahrer eingeholt oder überrundet wird.
Madison: Diese Disziplin wird ausschließlich von Männern bestritten. Obwohl zwei Fahrer antreten, befindet sich immer lediglich einer der Fahrer in der Zeitwertung. Durch Ablösen per Berührung an Hand oder Körper wechselt die Zeitnahme auf den Mannschaftskollegen. Die Mannschaft, welche am Ende die schnellste Zeit erzielen kann, gewinnt. Der Wettbewerb ist nicht olympisch, sondern nur bei Weltmeisterschaften und Weltcups relevant. Gefahren wird über 25, 26 oder 50 Kilometer.
Ausscheidungsfahren: An den Start geht eine größere Fahrergruppe, die nach einer Einführungsrunde einen Massenstart vollzieht. Alle zwei Runden scheidet der letzte Fahrer des Feldes aus. Gewinner ist, wer am Ende übrig bleibt. Als Einzelrennen wird diese Disziplin nicht ausgetragen. Heute ist er allerdings Bestandteil des Omniums und wird bei Weltmeisterschaften und Olympia gefahren.
Fliegende Runde: Was in diesem Kurzzeitwettbewerb zählt, ist die schnellste Runde. Je ein Fahrer befindet sich alleine auf der Bahn und darf eine gewisse Anzahl von Runden als Anlauf nutzen. Eine Glocke läutet dann die finale Runde ein, deren Zeit entscheidend ist. Diese Disziplin ist ebenfalls ein Teil des Omniums.
200 Meter Einzelzeitfahren: Diese Disziplin dient meist als Qualifikationsrennen für Sprintrennen. Bei großen Veranstaltungen wird dieser Wettbewerb, bei dem es gilt, mit Anlauf die schnellste Runde zu fahren, nicht ausgetragen.