Rückblick auf die Bundesliga-Saison 2010/11 – Gewinner & Verlierer
- Marco Heibel
Die Gewinner der Bundesliga-Saison 2010/11
Borussia Dortmund
Als Anwärter auf die Europa League-Plätze in die Saison gestartet, musste spätestens ab Mitte der Hinrunde jedem klar sein, dass die Meisterschaft nur über den BVB führt. Am 10. Spieltag übernahm die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp die Tabellenführung und gab sie nicht mehr her. Dabei bot die Mannschaft phasenweise Fußball vom anderen Stern. Das lag auch daran, dass wirklich jeder, der in die Mannschaft rückte, seine Leistung brachte: Torwart Roman Weidenfeller spielte die beste Saison seiner Karriere, die Abwehr um Mats Hummels und Neven Subotic stand fast immer sicher, das Mittelfeld um Nuri Sahin, Shinji Kagawa und Mario Götze brillierte, Sturmspitze Lucas Barrios war der Mann für die wichtigen Tore, auch die so genannten „Ergänzungsspieler“ stachen oft.
Einzig die Schwäche vom Elfmeterpunkt und die schwache Chancenauswertung in der Rückrunde verhinderten, dass der BVB die Konkurrenz um mehr als „nur“ 7 Punkte distanzierte. Alles in allem ist die Borussia aber einer der verdientesten Deutschen Meister seit Langem.
Das Image des Deutschen Fußballs
Auch wenn am Ende der Saison (mal wieder) kein Europapokal-Titel für eine deutsche Mannschaft zu Buche steht, hat sich das Image des deutschen Fußballs in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Das lag zum einen an den Darbietungen der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika, hatte aber auch mit den Leistungen der deutschen Mannschaften im Europapokal zu tun. Das 5:2 von Schalke 04 bei Inter Mailand etwa ließ in vielen Ländern aufhorchen nach dem Motto „Nanu, die Deutschen haben ja doch noch eine Mannschaft neben Bayern München, die auftrumpfen kann“.
Auch die wenigen internationalen Auftritte von Borussia Dortmund in der Europa League haben aufhorchen lassen. Anders als in der Bundesliga, wurde der BVB hier für seine mangelnde Chancenauswertung mit einem frühen Ausscheiden bestraft. An der beeindruckenden Spielanlage änderte das aber nichts. Die führenden spanischen Sportzeitungen „AS“ und „Marca“ sahen im BVB sogar schon einen ernsthaften Konkurrenten für den FC Barcelona und Real Madrid heranwachsen.
Apropos Real Madrid: Dort kann man die gestiegene Wertschätzung für den deutschen Fußball und die Bundesliga im Kader der kommenden Saison nachlesen. Mesut Özil und Sami Khedira erhalten im Sommer „Verstärkung“ von Nuri Sahin aus Dortmund und Hamit Altintop vom FC Bayern.
Mario Gomez
Als größter Transferflop der Bayern-Vereinsgeschichte abgestempelt und im August 2010 vom damaligen Trainer Louis van Gaal wegen Perspektivlosigkeit um ein Haar an den FC Liverpool weitergereicht, ist Mario Gomez im Mai 2011 einer der wenigen Gewinner beim deutschen Rekordmeister. Dabei musste er sich lange gedulden: Erst nachdem Ivica Olic und Miroslav Klose verletzt waren bzw. ebenfalls nicht überzeugen konnte, durfte Gomez ab Mitte der Hinrunde ran. Doch dann legte er richtig los: 28 Saisontore in der Bundesliga bedeuten die Torjäger-Kanone für den 35 Millionen-Mann, hinzu kommen 8 Treffer in der Champions League und 3 im DFB-Pokal. Eine solche Quote hat als letzter Deutscher Karl-Heinz Rummenigge Anfang der Achtziger Jahre zu Stande gebracht.
Die „Kleinen“
Hannover und Mainz qualifizieren sich für die Europa League, Freiburg träumte lange vom internationalen Wettbewerb, Nürnberg und Kaiserslautern schließen die Saison auf den Plätzen 6 und 7 ab. Nie haben sich so viele „Kleine“ in der oberen Tabellenhälfte getummelt. Das bringt Abwechslung in die Liga und zeigt, dass jeder jeden schlagen kann.
Junge Torhüter
Auf den Torwartpositionen wurde so viel rotiert wie selten. Gerade junge Keeper spielten sich in den Vordergrund, wie Marc André ter Stegen (19) in Mönchengladbach, Kevin Trapp (20) in Kaiserslautern, Ron-Robert Zieler (22) in Hannover, Ralf Fährmann (22) in Frankfurt sowie phasenweise Thomas Kraft (22) beim FC Bayern, der künftig für Hertha BSC spielen wird. Der Trend geht scheinbar nicht mehr nur auf dem Feld, sondern auch im Tor zur Jugend – sofern die Qualität da ist.
Junge Trainer
Jürgen Klopp ist mit seinen 43 Lenzen einer der jüngsten Meistertrainer der Geschichte, der Mainzer Coach Thomas Tuchel ist erst 37 und darf sich schon über das Erreichen der Europa League freuen und der Freiburger Noch-Trainer Robin Dutt (45) erhält einen der begehrtesten Jobs der Liga: Er tritt bei Vizemeister Leverkusen das Erbe von Jupp Heynckes an. Letzterer ist mit seinen 66 Jahren einer der wenigen verbliebenen Vertreter der älteren Generation. Dass Alter nicht vor Erfolg schützt, darf er in den kommenden zwei Jahren beim FC Bayern beweisen.
Die Verlierer der Bundesliga-Saison 2010/11
Die „Großen“
Ob Bayern München, der Hamburger SV, Werder Bremen, VfB Stuttgart, Schalke 04 oder der VfL Wolfsburg – die Saison 2010/11 war nicht die der arrivierten Teams mit ihren vielen Stars und ihren großen Etats. Ob es an den Spätfolgen der Weltmeisterschaft liegt?
Eintracht Frankfurt
Im Winter noch träumte Eintracht Frankfurt von der Europa League. Dazu passt die Aussage von Frankfurts Vorstandsvorsitzendem Heribert Bruchhagen im kicker-Interview vom 10. Januar 2011: „Wir sind Siebter, und es wäre dumm, wenn wir nicht versuchen würden, Fünfter zu werden. Absteigen können wir nicht mehr. Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen.“ Nach Saisonende hat jedoch eine Albtraumvision Gestalt angenommen. Nur 8 Punkte und 7 Tore in der Rückrunde, Abstieg. Im nächsten Jahr steuert die SGE die Stadien von Aue, Paderborn und Braunschweig an. Willkommen in der Zweitklassigkeit. Größter Verlierer als Einzelperson bei der Eintracht ist aber…
…Christoph Daum
Als Feuerwehrmann nach dem 27. Spieltag zur Eintracht geholt, gelang unter der Ägide des ehemaligen Meistertrainers kein einziger Sieg (drei Remis, vier Niederlagen). Die große Zeit des „Zampano“ scheint abgelaufen. Bereits bei seinen vorherigen Stationen (Köln, Istanbul) konnte er nicht mehr an alte Erfolge anschließen.
Louis van Gaal
Vor einem Jahr noch „Feierbiest“ und Everybody’s Darling, wurde der Niederländer aufgrund seiner autoritär-arroganten Art in Zeiten des Misserfolgs angreifbar. In der Mannschaft des FC Bayern regte sich offener Widerstand gegen die Taktik und die Menschenführung des Trainers. So vergänglich ist der Erfolg, und so schnell kann sich Popularität ins Gegenteil wenden.
Die Vorstände
Konzeptlosigkeit und Chaos in Hamburg, Köln, Schalke, Wolfsburg, Mönchengladbach, Stuttgart, ja sogar in München – auch in den Vorstandsetagen ging es in der abgelaufenen Saison hoch her. Für jeden ablesbar in der Masse an Trainerwechseln, aber auch in den Ergebnissen. Jeder schwärmt von Konzeptfußball auf dem Platz, aber bei vielen Vereinen mangelt an es klaren Konzepten im Kopf (und oft auch an der Geduld, ein Konzept umzusetzen).
Die „Fans“
Die „Wenn ihr absteigt, schlagen wir Euch tot“-Mentalität greift immer mehr um sich. Die Anhänger von St. Pauli (Becherwurf) und Frankfurt stehen im Moment besonders am Pranger. Doch das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass diese Vereine den größten Misserfolg hatten. Wie würde man wohl über einige „Fans“ aus Kaiserslautern, Schalke, Köln, Mönchengladbach & Co. reden, wenn deren Vereine abgestiegen wären. Ausschreitungen und Jagdszenen bis hin zu Morddrohungen nehmen zu. Sie sind die Folge von (zu) großer Leidenschaft für den Verein gepaart mit einem limitierten Intellekt und aufgestautem Frust.