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Fit mit Köpfchen - mentale Fitness von Dr. Christian Graz

Warum viele Spitzensportler nicht mit Geld umgehen können

  • Dr. Christian Graz
Wenn man dem Boulevard glauben darf, steht der Fußballer Mats Hummels kurz vor der Scheidung von Ehefrau Cathy. Das dürfte für den Dortmunder Verteidiger teuer werden. Er hat versäumt, einen Ehevertrag abzuschließen. Seinem Kollegen Lothar Matthäus ist es sogar gelungen, zweimal dieselbe Frau (Lolita) ohne Ehevertrag zu heiraten. Beide Male kostete den ehemaligen Weltfußballer die Scheidung dann Teile seines Vermögens.
Viele Topverdiener der Sportszene haben nach ihrem Karriereende finanziell kolossalen Schiffbruch erlitten. Durch ein Insolvenz-Verfahren in London wissen wir, dass Boris Becker einem gewissen Hans-Dieter Cleven über 40 Millionen Schweizer Franken schuldet. Dass Becker noch fröhlich durch die Welt reist, verdankt er einem höchst komplizierten britischen Konkursrecht und möglicherweise auch dem Langmut des ehemaligen Metro-Managers Cleven. Der Boxer Mike Tyson verdiente im Ring über 500 Millionen Dollar, irgendwann war alles weg und Tyson musste Insolvenz anmelden. Während Tyson nie so recht wusste, wie das Geld versickert war, ist John Daly, einer der talentiertesten Golfer aller Zeiten, stolz darauf, dass es ihm gelang, einen dreistelligen Millionenbetrag in einschlägigen Clubs und Casinos zu verjubeln. Er genoss nach eigener Aussage sein Leben in vollen Zügen. Schrecklich hingegen lesen sich die letzten Wochen von Diego Maradona. Von der Außenwelt durch seine Entourage abgeschirmt, vegetierte der Fußball-Gott in verschmutzter Umgebung seinem Tod entgegen.

Alles schicksalhafte bis tragisch-komische Einzelfälle? Nein! Rund zwei Drittel der ehemaligen-Basketball- und Footballprofis der US-Ligen sind fünf Jahre nach ihrem Karriereende pleite. Bei einer vernünftigen Geldanlage müsste das nicht sein. Wer heute in US-Ligen oder auch in den europäischen Top-Ligen im Fußball, im Tennis oder Golf zehn und mehr Jahre erfolgreich als Profi tätig ist, könnte mit dem Thema Geldverdienen eigentlich durch sein.

Warum das oft nicht so ist, hängt mit mehreren Ursachen zusammen. Zum einen, um es schlicht zu sagen, ist Intelligenz nicht das einzige Kriterium, um als Athlet in vielen Sportarten Erfolg zu haben. Ein Sportler drückte es einmal so aus. Als er nach dem Karriereende in eine Welt eintauchte, in der es um die richtigen Investmententscheidungen ging, war er intellektuell schlicht überfordert. Nicht jeder erfolgreiche Sportler, der im Umgang mit seinem Vermögen Fehler macht, ist natürlich „dumm“. Mats Hummels ist dafür ein gutes Beispiel, aber auch Boris Becker, der ein Einser-Schüler war, bevor er sich in sehr jungen Jahren für die Tenniskarriere entschied.

Das Problem liegt also tiefer. Die Unbekümmertheit der Jugend gehört gewiss auch zu den Faktoren, weshalb Spitzensportler regelhaft so schlecht mit Geld umgehen können. Welcher 25jährige denkt schon daran, wovon er im Alter leben möchte, wenn er doch im Moment aus dem Vollen schöpft?

Der wesentliche Faktor liegt also in der noch nicht abgeschlossenen Persönlichkeitsentwicklung der zumeist noch jungen Sportler begründet. Die Athleten kommen ganz offensichtlich mit dem mentalen Druck zurecht, um in ihrer Sportart erfolgreich zu sein. Um wirtschaftlich langfristig richtige Entscheidungen zu treffen, hat sie das Leben jedoch nicht vorbereitet. Sie haben schlicht von Vermögensverwaltung keine Ahnung und sind deshalb auch unkritisch bei der Auswahl ihrer Berater. Zumeist sind auch die Eltern und die besten Freunde keine Anlageprofis.

Hinzu kommt, dass eine Reihe von Sportstars jenseits der Sportarena durchaus psychisch labile Personen mit schwierigen Beziehungserfahrungen sein können – gerade in US-Profiligen. Diese gutverdienenden Athleten sind dann möglicherweise auch gefundene Opfer für nicht wohlmeinende Berater und ein Umfeld, das sie letztlich ausbeutet. Derartige Sportler können den Ruhm, der mit ihrem Erfolg verknüpft ist, nur schwer einordnen. Von der sie umgebenden Welt bewundert, setzen sie Geld oft auch dazu ein, um sich teuren Luxus zu leisten, der dann ihren Status sichtbar untermauern soll: Häuser, Autos, Uhren, Schmuck, Model-Freundinnen sind die typischen Symbole, mit denen sich Sportstars dann schmücken, oft auch um innerhalb ihrer Peer-Gruppen zu glänzen. So rinnt ihnen das Geld wie Sand durch die Finger.

Leistungssport allein schafft also noch keine reife Persönlichkeit. Der Sport auf höchstem Niveau schult zwar viele Bereiche und führt zu außerordentlichen Fähigkeiten. Der kluge Umgang in jungen Jahren mit Geld gehört aber nicht zwingend dazu. Verantwortungsvolle Vereine und Verbände sollten deshalb jungen Sportlern nicht nur Trainer, Mental-Coaches und Sportpsychologen an die Seite stellen, sondern auch ausgewiesene Fachleute für eine langfristige Vermögensstrategie.

Als Vorbilder sollten gutverdienenden Spitzensportlern die positiven Beispiele unter den Kollegen dienen. Die Tennislegende Stefan Edberg etwa ist in seinem zweiten Berufsleben ein erfolgreicher Vermögensverwalter. Fußballer Philip Lahm hat nach seinem Karriereende ein Portfolio an kleineren Unternehmen aufgebaut, die ihm Wertsteigerungen und Gewinnausschüttungen bringen sollen und Joshua Kimmich vom FC Bayern verhandelt sogar seine Verträge allein, um die oft nicht unerhebliche Provision für einen Spielerberater einzusparen. Es ist also keineswegs schicksalshaft, dass Top-Athleten nicht mit Geld umgehen können.

Dr Christian GrazZur Person: 

Dr. Christian Graz ist Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik auf der Bühlerhöhe. Graz ist Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Verhaltenstherapeut, Suchtmediziner und Forensiker, der langjährig Führungskräfte wie auch Berufssportler behandelt. Auf netzathleten.de gibt er in seiner Reihe "Fit mit Köpfchen" mentale Tipps für mehr Fitness und Leistungsfähigkeit.

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