Was heißt eigentlich probiotisch?
- Christian Riedel
Immer mal wieder sieht man Plakate und Werbespots, in denen sich Prominente genussvoll einen Joghurt-Drink genehmigen, um die körpereigenen Abwehrkräfte zu stärken. Für den positiven Effekt auf das Immunsystem und die Verbesserung der Darmflora sollen Bakterien sorgen, die den vielsagenden Namen „probiotisch“ tragen. Doch wie bei so Vielem ist auch das nur ein frommer Wunsch.
„Als probiotisch (pro bios = griech. „für das Leben“) bezeichnet man bestimmte (Milchsäure-) Bakterien, die 'probiotischen Lebensmitteln' zugesetzt werden und nach der Aufnahme mit der Nahrung im Darm des Menschen positive Wirkungen hervorrufen sollen“, erklärt Diplom- Oecotrophologin Simone Overzier. „Die Mikroorganismen sollen sich im Darm ansiedeln und dort den heimischen Bakterien bei der Verdauung helfen. Zudem sollen sie das Immunsystem stärken.“
Kritik an probiotischen Lebensmitteln
‘Sollen‘ ist das Stichwort. Denn es gibt sehr viel Kritik bezüglich der probiotischen Lebensmittel. Noch gibt es nämlich keine Studie, die einen positiven Einfluss der probiotischen Nahrungsmittel – neben Joghurts gibt es bereits probiotischen Käse, Quark oder Wurst – nachweisen konnte.
Eher ist das Gegenteil der Fall, wie auch die Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer und Susanne Warmuth in ihrem Buch „Lexikon der populären Ernährungsirrtümer“ berichten. Laut Pollmer/Warmuth gibt es in der Darmflora bereits eine riesige Anzahl von Mirkoorganismen. Fremde Organismen können sich nicht ansiedeln, sondern werden von den heimischen Bakterien wirkungsvoll bekämpft.
Gelingt es den Bakterien aus den probiotischen Lebensmitteln dennoch, sich im Darm anzusiedeln, schaden sie mehr als dass sie nützlich sind. Verdrängten die fremden Bakterien einen Teil der Darmflora, führte das zu gesundheitlichen Problemen. Zumal die Bakterien durch den Darm auch in den Kreislauf und so zu anderen Organen gelangen können, wo sie in den Schleimhäuten Entzündungen verursachen können.
Probiotische oder normale Joghurts
Auch die Verbraucherschützerorganisation „Foodwatch“ zweifelt an der Wirksamkeit der probiotischen Nahrungsmittel und verlieh Danone 2009 den „goldenen Windbeutel“ für irreführende Werbung. Zwar konnten einige positive Effekte des probiotischen Joghurts „Actimel“ nachgewiesen werden, allerdings hatte auch ganz normaler Joghurt dieselbe Wirkung. Dafür kostet der normale Joghurt ein Bruchteil von „Actimel“. In Großbritannien musste Danone eine Werbekampagne für Actimel sogar zurückziehen und in den USA bereitet laut Foodwatch eine Anwaltskanzlei eine Sammelklage gegen Danone vor.
„Der Darm spielt bei der Immunabwehr eine große Rolle“, sagt Simone Overzier. „Allerdings kann man auch mit Sauerkraut, Kefir oder ‘normalem‘ Joghurt die Darmflora positiv beeinflussen.“ Bei den probiotischen Joghurts besteht zudem das Problem, dass noch eine größere Menge Zucker zugesetzt sein kann.
Nur eine Randnotiz scheint da die Herkunft der probiotischen Bakterien zu sein. Laut Pollmer/Warmuth entstammen die Bakterien nicht aus der Milch, wie man annehmen könnte, sondern haben gar keine tierische Herkunft. Stattdessen werden sie wohl aus menschlichen Fäkalien und Vaginalsekret isoliert und dann weitergezüchtet. Wem´s schmeckt…
Christian Riedel