Interview mit Miriam Gössner: „Ein bis drei Jahre Schmerzen sind normal“ netzathleten.de/Stefan Schnürle

Interview mit Miriam Gössner: „Ein bis drei Jahre Schmerzen sind normal“

  • Stefan Schnürle
Im Mai hatte sich die Biathletin Miriam Gössner bei einem Radunfall vier Lendenwirbel gebrochen und eine Bandscheibe beschädigt. Am Rande der deutschen Biathlon-Meisterschaften in Ruhpolding hat die 23-Jährige nun über ihren Gesundheits-Status und ihre weitere Planung in Richtung Sotschi gesprochen.

Frage: Wie geht es Dir mittlerweile gesundheitlich?
Miriam Gössner: Mir geht es schon viel besser. Aber es ist trotzdem gut, dass wir noch zweieinhalb Monate haben, bis die Saison wirklich losgeht. Ich hoffe, dass sich in der Zeit noch einmal so viel verbessert wie in den Letzten, dann kann ich ganz zuversichtlich sein.

Frage: Wie kam es denn überhaupt zu Deinem schweren Unfall?
Miriam Gössner: Ich war mit meiner Schwester in Norwegen. Dort sind wir Rad fahren gegangen, weil ich am nächsten Tag einen Laufwettkampf machen wollte. Ich kann gar nicht viel dazu sagen, weil ich mich nicht wirklich daran erinnere. Es war eine Schotterstraße, ging nicht bergab und ich war auch nicht zu schnell dran. Es ist nur ganz leicht um die Kurve gegangen und dann weiß ich, wie ich am Boden gelegen bin und meine Beine nicht bewegen konnte.

Frage: Was geht einem da durch den Kopf, wenn man die Beine nicht mehr bewegen kann. Hast Du sie noch gespürt?

Miriam Gössner: Nein, ich habe sie nicht mehr gespürt. Meine Schwester meinte, dass ich versuchte aufzustehen, es aber nicht schaffte. Das sind so Sachen, da ist der Sport dann doch ganz nebensächlich. Das Einzige, was ich mir gedacht habe, war: „Bitte lass mich wieder laufen können.“ Es muss gar nicht unbedingt Sport sein, einfach nur wieder gehen können. Es hat dreieinhalb Stunden gedauert, bis die Ärzte meinten, dass es wahrscheinlich wieder wird.

Frage: Haben Dir die Ärzte einen Zeitraum mitgeteilt, während dem Du mit den Schmerzen klarkommen musst?
Miriam Gössner: Ja, es ist ganz normal, dass es ein bis drei Jahre noch wehtut. Es war nun einmal eine sehr schwere Verletzung und ich bin wirklich froh, dass ich überhaupt schon wieder recht gut trainieren kann. Denn die Ärzte haben gemeint, dass es so schnell nichts wird. Von daher liege ich vor dem Zeitplan und bin ganz zufrieden.

Frage: Du beginnst langsam mit dem Wiedereinstieg ins Hochleistungstraining: Was kannst Du aktuell machen, wo sind die Grenzen und wo die Defizite?
Miriam Gössner: Dadurch, dass ich so lange nichts gemacht und noch eine schiefe Stellung im Rücken habe, gibt es immer wieder Probleme. Jetzt hatte ich auch noch eine Schleimbeutelentzündung im Fuß und die Hüfte macht Ärger. Joggen und Rollern geht, aber ich darf es nicht übertreiben. Den richtigen Mittelweg zu finden, welches Training mir schon gut tut und welches nicht, ist momentan das Schwierigste für mich.

Frage: Das Schießen ist auch nicht gerade eine rückenschonende Betätigung. Funktioniert das denn bereits wieder?

Miriam Gössner: Ja, schießen tue ich seit Mitte August wieder. In Norwegen habe ich zuletzt sehr viel geschossen und das hat super funktioniert. Klar, es tut beim Hinlegen und beim Hinstellen weh, bis ich in der richtigen Position bin. Aber dadurch, dass der Schmerz eigentlich die ganze Zeit da ist und mein Rücken mir immer Probleme macht, ist es nicht mehr so schlimm.



Frage: Besteht die Chance, dass Du im November ins Trainingslager nach Sjusjoen mitfährst und ist abzusehen, wann Du tatsächlich Wettkämpfe bestreiten kannst?
Miriam Gössner: Nach Sjusjoen würde ich wahnsinnig gerne mitfahren, auch wenn ich 100 Prozent sicher bin, dass ich da noch nicht das Gleiche trainieren kann, wie der Rest der Mannschaft. Das Ziel ist auf alle Fälle, dass ich dort dabei bin. Ob ich dann Ende November in die Wettkämpfe einsteige, weiterhin in Sjusjoen trainiere oder noch den Deutschland-Pokal als Vorbereitung mitlaufe, ist offen. Es gibt für jeden Fall einen Plan und von daher bin ich ganz entspannt.

Frage: Hast Du Dir selbst ein sportliches Ziel für die Saison gesteckt?
Miriam Gössner: Mein Ziel ist definitiv erst einmal in Sjusjoen am Lehrgang dabei zu sein und zu versuchen so normal wie möglich zu trainieren. Das große Ziel von mir ist natürlich in Östersund am Start zu stehen. Die Frage ist nur, ob es dann schon sinnvoll wäre oder ich im Hinblick auf die Wettkämpfe im Januar und Februar noch ein bisschen trainiere und später einsteige. Das sind Sachen, die muss ich ziemlich spontan mit meinen Trainern entscheiden.

Frage: Wie sehr motiviert und freut es Dich, dass mit Sotschi eine Strecke bei Olympia wartet, die Dir mehr liegen sollte als die WM-Strecke 2013 in Nove Mesto?
Miriam Gössner: Auf jeden Fall ist da eine Vorfreude. Sotschi ist das ganz große Ziel in diesem Jahr und ich werde alles dafür tun, dass ich dann wieder einhundertprozentig fit bin und die Form wieder stimmt. Es ist auch mehr Motivation, als wenn eine Strecke wie Nove Mesto warten würde. Aber Nove Mesto waren trotzdem schöne Weltmeisterschaften und die Stimmung war gigantisch. Von daher war auch das ein tolles Erlebnis.

Frage: Es heißt oft „Im Sommer wird der Biathlet gemacht“. Dir fehlen wegen deines Unfalls jedoch gut drei Monate Training. Dennoch wird über einen Start beim Weltcup-Auftakt am 24. November in Östersund geredet. Bist Du einfach ein Naturtalent oder wie ist das möglich?
Miriam Gössner: Ich glaube, dass ich ein ganz gutes Grundlagen- und Ausdauerniveau habe, da ich die letzten Jahre sehr viel trainiert habe. Dann kann man so eine Pause auch einmal verkraften. Natürlich ist es schwierig momentan und meine Form ist überhaupt nicht so, wie ich es mir vorstelle. Aber es sind zum Glück noch zweieinhalb Monate Zeit. Sollte es bis dahin nicht reichen, habe ich notfalls den ganzen Dezember und Januar. Wenn es bis dahin immer noch nicht klappen würde, kann ich darüber nachdenken, dass Olympia vielleicht nicht das Richtige ist. Aber bis jetzt habe ich wirklich den Plan und die Hoffnung, dass alles funktioniert.

Frage: Hast Du Dich dennoch auch mit dem Gedanken befasst, dass es vielleicht nicht klappen könnte mit Olympia?
Miriam Gössner: Klar habe ich das. Dann wäre das eben ein Jahr, in dem ich nur schaue, dass ich wieder komplett gesund werde. Nach Olympia sind auch noch ein paar Rennen, vielleicht kann ich daran teilnehmen. Und bei den Spielen 2018 bin ich auch erst 27. In dem Alter kann man noch Sport machen, glaube ich. Aber soweit habe ich noch nicht gedacht. Ich möchte erst einmal nur gesund werden. Durch den Unfall habe ich gelernt, das Biathlon nicht alles ist. Wenn es nicht geht, geht es nicht. Es gibt dann noch anderes im Leben. Aber Plan A ist natürlich möglichst bald wieder fit zu sein.

Frage: Du wirkst schon wieder sehr kraftvoll und geerdet, was nach so einem Sturz alles andere als selbstverständlich ist. Wo hast Du diese Kraft denn hergenommen?
Miriam Gössner: Ich weiß es nicht. Dieser Sport macht mir einfach wahnsinnig viel Spaß, das gibt mir wohl Kraft. Dazu hatte ich tolle Menschen hinter mir, die immer für mich da waren und mir geholfen haben. Auch die Zeit in Norwegen hat mir sehr gut getan. Einfach komplett für mich allein zu sein, allein zu trainieren und nur auf das zu hören, was mein Körper sagt. In der Früh ohne Trainingsplan aufstehen und sich überlegen, was gesundheitlich möglich ist. Dazu habe ich dort bei verschiedenen Leuten mittrainiert, mit aktiven und ehemaligen Sportlern. Das hat mir auch viel Kraft gegeben.

Weitere Interviews gibt's unter Olympia 2014

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