„Es ist eher Zufall gewesen“ – Interview mit Susanne Hahn Achim Kempinski

„Es ist eher Zufall gewesen“ – Interview mit Susanne Hahn

  • Martin Imruck
Susanne Hahn ist amtierende Deutsche Marathonmeisterin und war bei zahlreichen internationalen Laufhöhepunkten dabei. Im netzathleten Interview verrät uns die Spitzenläuferin, wie sie die Leidenschaft für das Laufen entdeckt hat und was für sie persönlich die Begeisterung ausmacht. Außerdem berichtet sie von ihrem sozialen Engagement und wie sich der Leistungssport mit dem Familienleben verbinden lässt.

netzathleten: Susanne, seit 2006 läufst Du nun Marathon. Dabei warst Du nicht von Beginn an bei den Langstrecken dabei und bist durch einige Umstände zum Langstreckenlauf gelangt. Was war der Grund hierfür?

Susanne Hahn: Das stimmt, es ist eher Zufall gewesen. Ich habe eine Pollenallergie und kann somit im Sommer keine 100-prozentige Leistungsfähigkeit erreichen. Die Allergie äußert sich bei mir nicht durch die typischen Symptome, wie roten Augen oder ständiges Nießen, sondern ich fühle mich total schlapp und müde. Dieser Effekt wird durch das Training noch verstärkt. Das bedeutet, je härter ich trainiere, desto mehr verstärken sich die Symptome. Beim Marathon ist es ja Gott sein Dank so, dass man relativ lange auf einem verhältnismäßig moderaten Niveau einfach die Ausdauer trainiert. Im Gegensatz zu Läufen über 5.000 oder 10.000 Meter, die ich vorher gelaufen bin. Da muss man immer ordentlich powern und eigentlich 110 Prozent Renngeschwindigkeit laufen, was den Körper extrem fordert.

netzathleten: Also war der Marathon dann die Ausweichmöglichkeit, die sich letzten Endes zur Leidenschaft entwickelt hat?

Susanne Hahn: Hätte ich hochspringen können, wäre ich vielleicht auch Hochspringerin geworden. Aber ich wusste, dass ich schnell laufen kann und mit dem Marathontraining bin ich ebenfalls sehr gut zu Recht gekommen. Letztendlich hat dieser Ausweg dann geklappt. Auch, weil sich hieraus für mich die Möglichkeiten ergeben haben, bei zwei olympischen Spielen und anderen internationalen Höhepunkten zu starten. Aber dass Marathon meine Leidenschaft ist, würde ich nicht unbedingt sagen… Ich stehe nicht fanatisch hinter diesen 42 Kilometern. Meinetwegen könnte der Marathon auch nur 30 Kilometer lang sein.

netzathleten: Eine Hallensportart scheint für Dich, trotz deiner Allergie, nie in Frage gekommen zu sein. Ist es für Dich also besonders wichtig Dich an der frischen Luft zu bewegen?

Susanne Hahn: Nein, eine Hallensportart wäre nichts für mich. Leichtathletik ist eine Freiluftsportart und ich liebe es, mich draußen in der Natur zu bewegen. Keiner kann beeinflussen, wie das Wetter wird und so müssen sich alle den gleichen Verhältnissen stellen. Das ist für mich das Reizvolle und Schöne an der Leichtathletik.

netzathleten: Zusätzlich bist Du auch oft bei Crossläufen an den Start gegangen. Wo liegt für Dich der Anreiz bei diesen Läufen und was begeistert Dich dabei?

Susanne Hahn: Beim Cross laufen ist es ja so, dass nicht die Zeit entscheidend ist, sondern nur der Kampf Mann gegen Mann und Frau gegen Frau. Dabei ist es auch egal, wenn man ein Jahr auf ein und derselben Strecke läuft, denn es lässt sich nie miteinander vergleichen. Die Bodenbeschaffenheit und das Wetter sind immer anders. Es ist wirklich Sport pur. Das geht bei der Jagd nach Zeiten und Rekorden auf der Bahn leider manchmal verloren.

netzathleten: Suchst Du dir innerhalb eines Rennens einen bestimmten Punkt aus, an dem Du eine kleine Zwischenbilanz ziehst oder was ist Dir wichtig, wenn du eine Strecke angehst?

Susanne Hahn: Zunächst tut es immer gut, wenn man richtig ins Rennen kommt, das heißt, wenn man sein Tempo findet, bei dem man sich wohlfühlt. Ich bin ein Typ, der einfach ins Rennen reinfinden muss. Ich muss einen Schritt finden, in dem ich dann möglichst lange und ohne Schwierigkeiten verharren kann. Auf den 42 Kilometern gibt es immer ein Loch, an dem man mitbekommt, dass die Zeiten langsamer werden. Dann gilt es eben wieder zu sich und seinem Rhythmus zu finden. Einen Zeitpunkt, an dem man sagt, ich muss bei Kilometer 15 oder 30 sein, gibt es nicht. Das macht für mich auch die Spannung aus und ist das Reizvolle am Marathon: Man weiß vorher nicht, wie das Rennen läuft.

netzathleten: Du bist Botschafterin der SOS Kinderdörfer und hast beispielsweise während Olympia im Rahmen einer Spendenaktion auf die Projekte aufmerksam gemacht. Wie bist Du dazu gekommen und findest Du es wichtig, dass sich Leistungssportler für die gute Sache einsetzten?

Susanne Hahn: Natürlich hat man, wenn man mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, mehr Möglichkeiten, so etwas in den Blickpunkt zu rücken. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Anfrage der SOS Kinderdörfer gekommen ist. Gerade auch durch die Geburt unseres Sohnes habe ich gemerkt, dass ich mich gerne für Kinder engagieren möchte. Mein Einsatz ist hierbei an bestimmte Laufevents gebunden, bei denen ich in Aktion trete. In diesem Jahr ist vorerst nichts mehr geplant, aber ich kann mir schon vorstellen bald nochmal einen konkreten Anlass für eine neue Spendenaktion zu nutzen. Durch diese Verbindung mit den Events, lässt sich das Ganze auch gut mit dem engen Zeitplan im Leistungssportalltag verbinden. Ich finde es wichtig, wenn Lücken aufgetan und so genutzt werden.

netzathleten: Was hat sich seit der Geburt Deines Sohnes noch alles geändert und wie nimmt man diese Umstellungen in das Training auf?

Susanne Hahn: Ich bin nicht mehr Herr meiner Zeit und kann den Tagesablauf nicht mehr planen. Es ist wirklich so, dass die Bedürfnisse des Kindes vorgehen und man weiß auch nie, was passiert. Natürlich hat das auch Einfluss auf meine Trainingszeiten. Früher habe ich immer um 10 und um 16 Uhr trainiert, jetzt mache ich das morgens vor acht und vielleicht abends nach sechs Uhr. Es haben sich die Schwerpunkte verschoben. Nichtsdestotrotz ist auch die sportliche Ernsthaftigkeit nach wie vor da.

netzathleten: Dein Ehemann Frank ist gleichzeitig auch Dein Trainer, der Dich schon seit langer Zeit betreut. Er ist ehemaliger Läufer und stammt ebenfalls aus der Marathon-Szene. Auf welche Art und Weise kann er Dir durch seine Erfahrungen helfen?

Susanne Hahn: Wir haben das Glück, dass wir derselbe Läufertyp sind und deshalb auch auf die gleichen Trainingsmethoden ansprechen. Dadurch kann er mich meist besser einschätzen, als ich mich selbst. Generell ist er auch für die Zahlen und Rechenkünste zuständig, die im Laufen ja auch eine große Rolle spielen. Er hat die Gabe genau zu erkennen, wie ich mich als Läuferin fühle und gibt mir dadurch unglaublich viel Sicherheit. Er trainiert mich jetzt schon seit 10 Jahren und ich könnte es mir auch nicht anders vorstellen. Für mich ist das eine perfekte Sache, gerade auch in Verbindung mit unserem Sohn und der Zeit, die man für den Leistungssport hergibt.

netzathleten: Hast Du schon Vorstellungen, wie es nach Deiner Karriere weitergeht?

Susanne Hahn: Ich bin ja nun 34. Das heißt, ich sollte vielleicht auch an Zeiten denken, in denen ich nicht mehr in der aktiven Klasse vorne laufe. Ich habe Deutsch und Latein auf Lehramt studiert, könnte mir allerdings auch vorstellen, im Bereich Sprachwissenschaft tätig zu werden. Ich bin ein Mensch, der doch sehr genau und gewissenhaft ist. Insofern könnte etwas in diesem Bereich gut passen, auch weil sich diese Tätigkeit ganz gut mit Sport und Familie verbinden ließe.

netzathleten: Wenn es dann soweit ist, bleibt das Laufen aber weiter Leidenschaft?

Susanne Hahn: Ja, das wird auch immer präsent sein. Mein Mann läuft ja auch und es ist für uns auch ein Hobby, dem wir gemeinsam nachgehen können. Das Laufen ist für uns ein wunderbares Mittel, um den Kopf frei zu bekommen und neue Gedanken aufzusaugen. Ich brauche die Bewegung an der frischen Luft und dafür ist das Laufen prädestiniert. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass mich eine Mannschaftssportart reizen würde, nachdem ich so lange alleine durch den Wald gelaufen bin. Mal schauen. Das hängt dann sicherlich auch von den Angeboten ab.

netzathleten: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei allem was kommt.

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