„Wir erleben hier Skisport pur“ – Marc Girardellis Kolumne zur Ski-WM Marc Girardelli

„Wir erleben hier Skisport pur“ – Marc Girardellis Kolumne zur Ski-WM

  • Derk Hoberg
Die ersten Entscheidungen bei der Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen sind gefallen. Interessante Rennen, Stürze und eine Bronzemedaille für Maria Riesch, die netzathleten-Kolumnist Marc Girardelli vor Ort verfolgte. Der fünfmalige Gesamtweltcupsieger zieht eine erste Bilanz und blickt auf die kommenden Rennen voraus.

 

Wir haben hier in Garmisch-Partenkirchen bisher zwei sehr selektive Rennen gesehen. Vor allem der Super-G der Herren hatte es in sich. Ich habe selten einen vom Gelände her so interessanten Hang wie diesen hier gesehen. Auch für die Zuschauer ein absolutes Spektakel, da man die Rennläufer fast eine halbe Minute lang auf dem Zielhang verfolgen kann. Überhaupt ist die Stimmung auf den Tribünen im Zielraum sehr gut, auch wenn man von Seiten der Organisatoren vielleicht nochmal über die Auswahl der Musik nachdenken sollte. Aber das ist Geschmackssache.

Pisten in gutem Zustand

Eines will ich angesichts der permanenten Diskussionen über Stürze und den dazugehörigen Sicherheitsbedenken hier vorweg schicken: Die Pisten in Garmisch-Partenkirchen sind in einem hervorragenden Zustand, der Schnee ist griffig und es gibt definitiv genügend Sicherheitsmaßnahmen, wie die Fangzäune entlang der Strecke. Da ist den Organisatoren vor Ort und der FIS nichts vorzuwerfen. Mit der Kurssetzung beim gestrigen Super-G der Herren war ich allerdings nicht einverstanden: Der Schweizer Speed-Trainer Hans Flatscher, der den Kurs steckte, hat dort, wo die Läufer normalerweise gebremst werden sollen, laufen lassen und die Tore zusätzlich sehr unkonventionell auf die Kanten gesetzt. Das war auch der Grund für die großen Schwierigkeiten vieler erfahrener Läufer.

Durch den jungen Südtiroler Christof Innerhofer als Weltmeister, haben wir eine erste kleinere Überraschung hier erlebt. In seinem Rennen hat alles gepasst. Sicherlich ist der 26-Jährige noch kein ganz großer Name im Alpinzirkus; dass er die Kapazitäten zum Siegfahrer hat, hat er aber zuvor schon unter Beweis gestellt. Er gewann 2008 bereits die Weltcup-Abfahrt in Bormio, welche sehr anspruchsvoll ist. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver im vergangen Jahr lag er auch schon auf Goldkurs, ein kleiner Fehler hatte ihn damals aber den Sieg gekostet.

Damen Super-G – Maria Riesch in guter Form

Bei den Damen hat mich Abfahrtsolympiasiegerin Lindsay Vonn ein wenig enttäuscht mit ihrem siebten Platz im Damen Super-G. Aber es ist auch nicht einfach, immer Vollgas zu geben und an die Grenzen zu gehen. Auf diesen selektiven Strecken hier muss man strategisch klug fahren. Da ist es schwer, das richtige Maß zwischen Angriff und taktischem Fahren zu finden – das gelang der Österreicherin Elisabeth Görgl eben am besten. Vonns Beschwerden über die Strecken finde ich im Übrigen nicht angebracht. Das klingt ein wenig nach Ausflüchten, weil sie momentan scheinbar nicht in der dominanten Form der vergangenen Jahre ist. Lokalmatadorin Maria Riesch sehe ich gegenüber Vonn also im Vorteil. Ihr letzter Sieg im Super-G liegt nun schon über drei Jahre zurück, insofern ist ihr dritter Platz jetzt bei der WM ein deutlicher Beleg, wie stark sie derzeit ist.

Für die anstehende Super-Kombination ist sie mein Favorit, sofern sie gesund ist. Sie startet als Olympiasiegerin in dieser Disziplin. Allerdings ist es auf diesen Pisten hier schwierig, Prognosen zu wagen. Auch Super-G-Siegerin Elisabeth Görgl aus Österreich und einigen anderen Fahrerinnen ist wieder viel zuzutrauen. Zumal Maria nun auch ein wenig krank zu sein scheint und gerade die Super-Kombination auch eine Konditionsfrage ist. Zwei verschiedene Disziplinen an einem Tag, morgens ein Rennen, nachmittags dann das Zweite. Das ist auch für den Körper eine große Anstrengung. Man fährt in den beiden Disziplinen in komplett anderen Körperhaltungen und verschiedene Belastungen wirken auf den Körper. Das ist enorm kräfteraubend – ich kenne das aus meiner aktiven Zeit nur zu gut. Die Super-Kombination ist eine wirklich interessante Disziplin, die sich vom Stiefkind früherer Tage nun verdientermaßen, auch was die Zuschauerzahlen angeht, gut entwickelt hat.


Zur Person: Marc Girardelli

Marc Girardelli ist einer der erfolgreichsten alpinen Skirennläufer aller Zeiten. Er startete für Luxemburg und ist seit 1987 auch Luxemburger Staatsbürger. Zwischen 1985 und 1993 gewann der gebürtige Österreicher fünfmal den Gesamtweltcup – Rekord bei den alpinen Herren. Der vierfache Weltmeister gewann insgesamt 13 Medaillen bei Großereignissen. Heute organisiert er Ski-Events und hat eine Skimode-Linie.


Am Wochenende stehen dann die Abfahrten der Damen und Herren an. Diese Rennen werden wieder enorm spannend. Man hat beim Super-G der Herren gesehen, dass die Läufer am Ende völlig ausgepumpt waren. Das Gelände hier fordert den Fahrern alles ab. Das ist wirklich Skisport pur, was wir in Garmisch-Partenkirchen erleben. Ich hoffe nur, dass die Läufer nicht die Kraft verlässt, bevor die schwierigsten Stellen passiert sind, schließlich geht es in der Abfahrt noch mal deutlich schneller zur Sache.

Die Favoriten in der Abfahrt

Maria Riesch wird hoffentlich gesund an den Start gehen können, um Lindsay Vonn Paroli bieten zu können. Die US-Amerikanerin geht sicher mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch an den Start, um den Super-G vergessen zu machen. Hoffen wir hier also auf das große Duell der beiden Rennläuferinnen, die den Gesamtweltcup in den vergangenen zwei Jahren dominiert haben. Da liegt schon ein besonderer Reiz in diesem Duell, auch wenn am Ende womöglich eine andere Fahrerin die lachende Dritte sein könnte. Im Super-G haben wir das mit Elisabeth Görgl ja schon erlebt.

Bei den Herren denke ich, dass der Schweizer Abfahrtsweltcupsieger des vergangenen Jahres, Didier Cuche, die „Schmach“ des vierten Platzes im Super-G nicht auf sich sitzen lassen will. Er wird angreifen in der Abfahrt am Samstag. Bode Miller hat der Braten im gestrigen Super-G aber auch geschmeckt. Ihm hat es mit Sicherheit gefallen, dass er trotz des verlorenen Skistocks sehr nahe an den Besten war – auch wenn er mit seinem 12. Rang sicher nicht zufrieden war. Der Norweger Aksel Lund Svindal zeigt in dieser Saison in der Abfahrt bessere Leistungen als im Super-G, gehört für mich also auch in den Favoritenkreis. Den Abfahrts-Weltmeister von 2003, Michael Walchhofer, darf man ebenfalls nicht vergessen, genauso wenig wie Klaus Kröll, der die Abfahrt in Wengen vor einem Monat gewann. Die beiden werden versuchen, die Kohlen für Österreich aus dem Feuer zu holen.

Wirklich schade ist es für Stefan Keppler aus München, der sich bei Krölls Sieg in Wengen bei einem Sturz die Bänder im Knie gerissen hat. Nun muss er die Heim-WM als Zuschauer verfolgen. Er war gut in Form in dieser Saison und ich hätte es den Deutschen gegönnt, dass endlich wieder einer ihrer Athleten auch in den Speed-Disziplinen vorne mitmischt. So lastet der gesamte Druck auf Slalom-Spezialist Felix Neureuther, der allerdings erst am letzten Wettkampftag der WM sein großes Rennen vor sich hat.

Bis zum nächsten Mal,
Euer Marc Girardelli

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