Mythos Hohlkreuz – Runder oder gerader Rücken beim Krafttraining Thinkstockphotos.com

Mythos Hohlkreuz – Runder oder gerader Rücken beim Krafttraining

  • Jörg Birkel
Bloß nicht ins Hohlkreuz gehen, das geht voll auf den Rücken. Kennst Du diese Anweisung auch aus dem Fitnessstudio. Bei vielen Übungen wird man angehalten, auf einen geraden Rücken zu achten. Dabei ist das gar nicht immer sinnvoll und teilweise sogar schädlich.

Rückenbeschwerden gehören zu den häufigsten Berufsunfähigkeitsgründen in Deutschland und verursachen jährlich tausende von Krankheitstagen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen um ihre Rückengesundheit sorgen, wenn sie in einem Fitnessstudio trainieren.

Dabei ist die Entscheidung, den Rückenbeschwerden mit Krafttraining vorzubeugen ja durchaus richtig. Sofern man die richtigen Übungen auswählt und auf die korrekte Bewegungsausführung achtet. Aber genau hier scheiden sich die Geister. Rücken gerade oder doch lieber Hohlkreuz, lautet die Streitfrage.

Natürliche Krümmung der Wirbelsäule

In vielen Fällen ist beides falsch! Um das zu verstehen, müssen wir etwas ausholen. Die Wirbelsäule (lat. Columna vertebralis) ist ein komplexes Gebilde aus 24 Wirbelkörpern und dem Steißbein, die durch Bänder und Muskeln fest miteinander verbunden sind. Zwischen den einzelnen Wirbeln sitzen die Bandscheiben, die wie Stoßdämpfer funktionieren.

Schaut man sich die Wirbelsäule von der Seite an, stellt man fest, dass diese eine Doppel-S-Form beschreibt. Die Hals- und die Lendenwirbelsäule sind nach vorne gekrümmt (ventral), während der Brustabschnitt und das Steißbein eine Krümmung nach hinten (dorsal) aufweisen.

Ein leichtes Hohlkreuz, auch Lordose genannt, ist also die natürliche Haltung. Von einem Hohlkreuz (Hyperlordose) spricht man, wenn das Becken im Stand deutlich nach vorne gekippt ist und dadurch die Vorwölbung verstärkt. Gefährlich ist das zunächst nicht. Erst wenn eine Kraft auf die Wirbelsäule einwirkt, kann es zu einem Verschleiß oder Schäden kommen.

Extrem belastbar

Anfällig ist die Wirbelsäule für vertikal und für tangential auftretende Kräfte. Alleine der aufrechte Gang reicht, dass unsere Wirbelsäule im Laufe des Tages so gestaucht wird, dass wir abends ein bis zwei Zentimeter kleiner sind als morgens. Dabei wirkt die Kraft von oben auf die Wirbelsäule. Bei Übungen wie Kniebeugen mit einer zusätzlichen Last auf den Schultern, wird der Druck auf die Wirbelsäule größer.

Dabei macht es uns die natürliche Krümmung der Wirbelsäule überhaupt erst möglich, schwere Lasten zu heben. Wäre die Wirbelsäule nämlich ein durchgehender Knochen, wären wir nicht nur ziemlich unbeweglich, sondern auch sehr viel anfälliger. Stattdessen ermöglicht uns dieses Konstrukt eine – wenn auch teils eingeschränkte - Beweglichkeit um drei Körperachsen. Außerdem ist die Wirbelsäule durch die gekrümmte Form besser in der Lage Stöße und Belastungen abzufedern.

Wesentlich kritischer als vertikal auftretende Belastungen sind daher tangential wirkende Kräfte. Hebst Du beispielsweise eine Bierkiste mit vorgebeugtem Rücken an, wirken auf die Bandscheibe im Lendenbereich schnell mal über 400 Kilogramm. Deshalb ist richtiges Heben wichtig für die Rückengesundheit. Problematisch ist dabei aber weniger das gefürchtete Hohlkreuz, sondern eine Krümmung der Wirbelsäule.

Ein leichtes Hohlkreuz ist Pflicht

Die Bandscheiben sind aufgrund der Wölbung im Lendenbereich stark keilförmig ausgeprägt, wobei diese nach vorne dicker sind. Machen wir nun den Rücken rund, drückt die Last beim Heben stärker auf das dicke Teil der Bandscheibe. Damit steigt der Druck deutlich an. Schlimmer ist jedoch, dass der Druck nicht mehr gleichmäßig auf die gesamte Fläche der Bandscheibe verteilt wird.


Beim Anheben schwerer Lasten ist es daher unbedingt notwendig, dass die natürliche Lordose während der gesamten Bewegung aufrechterhalten bleibt. Mit anderen Worten: Du solltest bei Kniebeugen, Kreuzheben und Co. unbedingt ein leichtes Hohlkreuz machen, um die Wirbelsäule zu entlasten! Ein leichtes Hohlkreuz wohlgemerkt.

Bei einer Hyperlordose handelt es sich dabei um eine extreme Ausprägung der Vorwölbung, die in der Regel durch eine muskuläre Dysbalance verursacht wird. Häufig sind die Bauchmuskeln zu schwach, um das Becken nach hinten zu kippen. Dadurch fällt man ins Hohlkreuz. Wie gesagt, so lange kein zusätzliches Gewicht auf der Wirbelsäule lastet, ist das erstmal nicht schlimm.

Auf die richtige Technik kommt es an

Bevor Du jedoch Kniebeugen mit hohen Lasten durchführst, solltest Du zunächst an Deiner Stützmuskulatur arbeiten. Eine schwache Rumpfmuskulatur wirkt sich in etwa so aus, wie der Mast eines Segelschiffes, an dem die Wanten nicht richtig gespannt wurden. Die kleinste Brise ins Segel reicht dann bereits aus, und der Mast knickt einfach um.

Die so genannten tiefen Rückenmuskeln (autochtone Rückenmuskulatur), die Bauchmuskeln, das Zwerchfell und der Beckenboden übernehmen die Funktion der Wanten. Sind die Seile straff gespannt, ist die Wirbelsäule extrem belastbar. Werden wir dagegen träge, steigt das Verletzungsrisiko.

Warum warnen so viele Fitness Trainer dennoch so häufig vor einem Hohlkreuz bei Kraftübungen? Vermutlich, weil Sie es nicht besser wissen und einfach gebetsmühlenartig wiederholen, was andere sagen. Bei Kniebeugen und Kreuzheben solltest Du also unbedingt darauf achten, dass die Lendenlordose aufrecht erhalten bleibt.

Aber wie sieht es beim Bandrücken aus?

Es muss doch auch Übungen geben, bei denen es sinnvoll ist, den Rücken gerade zu machen? Ein typisches Beispiel dafür ist ja auch das Bankdrücken. Beim Bankdrücken solle man sogar die Beine anheben, damit der Rücken immer flach auf der Bank aufliege. Dabei gibt es zwei Dinge zu hinterfragen: Erstens treten beim Bankdrücken überhaupt keine hohen Kräfte im Lendenbereich auf – woher auch? Und zweitens wird die Übung dadurch zu einer äußerst wackeligen Angelegenheit.

Es gibt beim Bankdrücken nur eine Position für Deine Füße: auf dem Boden. Dadurch erreichst du erst die nötige Stabilität. Du glaubst das immer noch nicht? Dann schaue Dir mal Videos von Gewichthebern an. Die gehen beim Bankdrücken sogar in die Hyperlordose, um in der Rückenmuskulatur genug Spannung aufbauen zu können. Nur so, können Gewichte von 200 Kilogramm und mehr bewegt werden.

Der aktuelle Weltrekord im Bankdrücken liegt übrigens bei fast 500 Kilogramm. Unvorstellbar, dass der Rekordhalter das mit angewinkelten Beinen schaffen könnte. Wenn Du Dir in Bezug auf die korrekte Ausführung einzelner Übungen unsicher sein solltest, dann such Dir einen erfahrenen Trainer und lass Dich korrigieren.

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