Was tun, wenn die Saisonplanung schief läuft?
- Christian Riedel
So ist es mir in dieser Saison ergangen. Aus Angst davor, einen Fehler zu machen, habe ich gleich mehrere begangen. Aber der Reihe nach. Mein diesjähriges Projekt ist für einen Triathlon-Einsteiger recht ambitioniert. Erstmals kann man bei der gesamten Dextro Energy Triathlon ITU World Championchip Series auch bei jeder der sieben Stationen als Jedermann starten.
Eine tolle Idee, wie ich fand. Kurzerhand beschloss ich im letzten Jahr, die komplette Serie mitzumachen. Ich war neugierig, wie die Profis es schaffen, nicht nur zu einem oder zwei Saisonhöhepunkten fit zu sein, sondern ihre Form über die ganze Saison zu halten.
Wettkämpfe satt
Ursprünglich umfasste die Serie in diesem Jahr 8 Rennen. Zum WM-Auftakt im April ging es nach Sydney. Danach gab es eine längere Wettkampfpause, da Yokohama wegen der Atomkatastrophe gestrichen wurde. Im Juni ging es dann in Madrid weiter, gefolgt von Kitzbühel und vier Wochen später Hamburg. Die weiteren Stationen sind London und Lausanne im August sowie das Finale in Peking. Eine lange Saison, selbst für erfahrene Triathleten.
Da gehört schon einiges an Planung dazu, wenn man im Drei-Wochen-Rhythmus Rennen absolviert. Und natürlich einiges an Erfahrung. Erfahrung die mir einfach noch fehlt. Entsprechend vorsichtig ging ich die Trainingsplanung an und machte da bereits den ersten Fehler. Nach einer langen Grundlagenphase über Winter und einem frühen Trainingslager im Januar fühlte ich mich im März bereits erstaunlich fit.
Bloß keine Frühform
Vor allem die vielen Radkilometer im Vergleich zur Vorsaison sorgten schon früh für mächtig Druck auf den Pedalen. Das ist auf der einen Seite ein gutes Gefühl, auf der anderen kann es aber auch zu einer unerwünschten Frühform führen. Statt sich über die Saison steigern oder wenigstens das Niveau halten zu können, geht die Formkurve dann nämlich schnell in den Keller. Aber das sollte mir nicht passieren.
Schließlich hatte ich noch keine wirklich intensiven Einheiten absolviert. Lediglich Radfahren im Grundlagenbereich und ein paar lockere Intervalle etwas oberhalb des Wohlfühltempos beim Laufen und Radeln. Gleiches galt fürs Schwimmen. Statt Tempohärte zu trainieren, konzentrierte ich mich im Winter auf das Techniktraining. Und genau in dieser Phase unterliefen mir Fehler.
Wettkämpfe aus dem Training heraus sind eine blöde Idee
Ich dachte, ich könne aus dem Training heraus den ersten Wettkampf absolvieren und dann über die Saison langsam die Intenstität in den Trainingseinheiten zwischen den Wettkämpfen anziehen. Aus dem Training heraus macht man jedoch besser keine Wettkämpfe. Das fühlt sich nämlich gar nicht gut an. Eine Woche nach meinem zweiten Trainingslager in Thailand ging ich in Sydney an den Start.
Schwimmen lief besser als erwartet, aber bereits beim Radfahren merkte ich das Trainingslager in den Beinen. Und spätestens auf der welligen Laufstrecke war dann der Ofen aus. Zwar kam ich mit persönlicher Bestzeit ins Ziel, aber das lag gegenüber Hamburg im Vorjahr vor allem an den kürzeren Wechselzonen in Sydney. Ok, ich bin auch schneller geschwommen und geradelt, aber dafür hab ich mir auf dem Rad die Beine vollends müde gefahren.
Viel Trainer verderben den Brei
Damit war ich um eine Erfahrung reicher, wollte das aber eigentlich so nicht wiederholen. Was also tun? Schneller Laufen. Logisch, oder? In Abstimmung mit diversen Profis nahm ich also 200er, 400er Tempoläufe und mit zunehmender Saison auch harte Koppeleinheiten in mein Programm auf. Problematisch wurde diese Trainingsplanung jedoch, als die Wettkampfdichte höher wurde.
Wie bringt man so intensive Einheiten im Trainingsplan unter, wenn man zwischen den Rennen drei Wochen Zeit hat und danach eigentlich eine Woche regenerieren und vor dem nächsten Wettkamof eine Woche tapern müsste? Besser gar nicht, wie ich heute weiß. Ein Profi-Triathlet steckt das nämlich locker weg, ein Einsteiger, wie ambitioniert auch immer, eben nicht unbedingt.
Profi-Tipps sind nicht für Jeden gut
Die Unterschiede liegen im Stoffwechsel. Während ein Profi wie Olympiasieger Jan Frodeno seine individuelle anaerobe Schwelle vielleicht erst bei 90 Prozent seiner maximalen Herzfrequenz erreicht, ist bei mir schon viel früher Schluss. Dementsprechend stellt eine harter Koppeleinheit für einen Profi auch eine ganz andere Belastung dar als für mich.
Dummerweise habe ich mich trotzdem an die Empfehlungen gehalten. Radfahren im Wettkampftempo, dann die ersten 500 Meter hart Anlaufen, etwas über Wettkampftempo. Den ersten Kilometer im Wettkampftempo zu Ende bringen und dann locker auslaufen. Und das gleich mehrfach hintereinander. Das klappte anfangs schon sehr gut und hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass ich mich motorisch besser an den direkten Wechsel zwischen Radfahren und Laufen gewöhnt habe.
Auf die richtige Intensität kommt es an
Nur war der Zeitpunkt zwischen den Wettkämpfen dafür sicherlich falsch gewählt. Und für meinen Stoffwechsel war das bestimmt auch nicht die richtige Belastung und hat dazu geführt, dass ich im Rennen intuitiv den Laufsplit ähnlich schnell angegangen bin wie im Training. 500 Meter lang hat sich das auch ganz gut angefühlt. Spätestens nach dem ersten Kilometer war ich dann aber so tief im Laktattunnel, dass die restliche Strecke bis ins Ziel zu einer einzigen Qual verkommen ist.
Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Nach dem dritten Wettkampf und gefühlt sinkender Formkurve wurde es Zeit dagegen zu steuern. Mittlerweile war ich trotz der Taperei sogar mit müden Beinen angereist und reduzierte meine Erwartungen von mal zu mal. Nach Kitzbühel war dann Schluss mit lustig und ich legte zwei sehr ruhige Wochen ein, die ich mit einem spontanen Start über die Sprint Distanz in Gummersbach beendete.
Mehr Regeneration bitte
Und siehe da, mit zwei Wochen Erholung in den Beinen lieferte ich endlich wieder ein befriedigendes Rennen ab. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich auch erstmals nur mit Wattmesser (Power2max) fuhr. Statt mir auf dem Rad bereits alles zu geben, fuhr ich sehr kontrolliert und konnte anschließend wesentlich lockerer Laufen. Den Lauf ging ich übrigens progressiv an, statt hart anzulaufen, tat ich genau das Gegenteil: Langsam loslaufen und zum Ziel hin schneller werden.
Nach diesem Erlebnis war klar, ich muss an der Trainingsplanung etwas ändern. Schluss mit den harten Einheiten. Neben den Intervallen strich ich auch die harten Koppel und das Krafttraining. Schließlich wollte ich bis Hamburg noch was Gewicht verlieren. Der Schuss ging leider auch nach hinten los. Weniger Krafttraining, weniger Muskelmasse, weniger Grundumsatz, aber dafür 2 Kilogramm Gewicht mehr auf den Hüften. So sieht die Rechnung aus, für alle, die Angst vorm Krafttraining haben. Zugegeben, einen großen Anteil daran trägt auch mein Ernährungsverhalten.
Carboloading auf dem Kiez
Bedingt durch die bis dahin vielen intensiven Einheiten hatte ich den Kohlenhydratanteil in meiner Ernährung leicht gesteigert – vor allem in Form von Schokolade und Eis. Ganz schön viele Kalorien, wenn man auf das intensive Training verzichtet. Nach zwei ernüchternden Laktatanalysen (Rad und Laufbahn), die meinen Formeinbruch schwarz auf weiß bestätigten, waren 85 Kilogramm auf der Waage ein weiterer Tiefschlag. Soviel hatte ich seit Jahren nicht mehr drauf. Und es sind leider nicht alles Muskeln. Wie auch, das Athletiktraining habe ich ja zwischenzeitlich sträflich vernachlässigt.
Entsprechend ernüchtert fuhr ich nach Hamburg. Statt mein Ergebnis vom letzten Jahr zu verbessern zu wollen, nahm ich mir vor, den Triathlon locker anzugehen. In der Form hatte ich jedenfalls nicht die Bereitschaft, meine schwerer gewordenen Grenzen auszuloten. Dieser Vorsatz hatte aber auch Vorteile. So ließ ich es mir nicht nehmen, am Vorabend des Wettkampfes auf dem Kiez ein Carboloading der besonderen Art durchzuführen.
Locker und nicht mal langsam
Trotz der kurzen Nacht lief mein Wettkampf dann auch besser als erwartet. Um es vorweg zu nehmen, es war mein bisher entspanntester und vor allem konstantester Wettkampf. Alles fühlte sich super an und ich lief zum ersten Mal grinsend über die Laufstrecke, statt mich zu Bestzeiten zu quälen. Und unter diesen Umständen war ich mit meiner Zeit von 2:40 Stunden sogar hochzufrieden. Immerhin nur 2 Minuten langsamer als letztes Jahr – damals noch in gefühlter Höchstform.
Damit liegt das Bergfest hinter mir. Aufgrund des bis dahin etwas missglückten Saisonverlaufs habe ich meine Saisonziele neu gesteckt: Die ITU Jedermann WM in Peking. Ursprünglich wollte ich mir das Finale in Peking eigentlich schenken, aber vielleicht lässt sich die Saison ja sportlich doch noch retten.
Neuer Trainer, neues Glück?
Um die begangenen Fehler nicht zu wiederholen, übernimmt jetzt Benja Herrera, der Cheftrainer des Kölner Triathlon Teams, meine Trainingsplanung. Benja trainiert nicht nur die KTT Bundesliga-Mannschaft, sondern hat auch Erfahrung mit Breitensportlern. Für mich bedeutet das: Ab sofort sind die intensiven Einheiten gestrichen. Stattdessen steht ein großer Grundlagenblock auf dem Plan.
Und die Spritzigkeit hole ich mir ausschließlich über die noch ausstehenden Wettkämpfe in London (Olympisch), Lausanne und Köln (beides Sprint). Damit habe ich genug Trainingsreize, die für mehr Schnelligkeit sorgen. Alles Weitere sind ausgedehnte GA1-Einheiten, gerne auch als Bike und Lauf Koppel. Einzige Ausnahme bleibt das Schwimmtraining. Da kommt man an Intervallen nicht vorbei.
Mal sehen, was sich von der verkorksten Saison noch retten lässt.