Trainingstipps von Marathon-Europameisterin Ulrike Maisch
- Marco Heibel
Es gibt außergewöhnliche sportliche Herausforderungen, die jedermann heutzutage annehmen kann – von einer Wüstendurchquerung bis zu einem Ultratriathlon. Dennoch bleibt der Marathon etwas ganz Besonderes. Das findet auch die amtierende Marathon-Europameisterin Ulrike Maisch: „Die vielen Menschen sowohl auf der Strecke als auch am Streckenrand machen gerade City-Marathons zu etwas ganz Besonderem. Die tolle Stimmung ist eine super Motivation und hilft einem dabei, über Tiefs hinwegzukommen.“
Ein Marathon ist und bleibt eben der sportliche Mount Everest für viele Hobbysportler: eine hohe, aber keine unüberwindliche Hürde. Wer sie nehmen will, muss jedoch ein paar Dinge beachten.
1) Langfristige Vorbereitung
Trainingspläne mit Zielzeiten von 2:30 Stunden bis 4:30 Stunden kann man sich mittlerweile in aller Regel kostenlos aus dem Internet downloaden. Meistens sind sie auf einen Zeitraum von 10 bis 16 Wochen ausgelegt. Was dort nicht erwähnt wird: Diese Zeit reicht natürlich nicht aus, um – überspitzt ausgedrückt – aus einem Ackergaul ein Rennpferd zu machen. Wer also beispielsweise 60 Minuten für 10 Kilometer benötigt, sollte von einem Trainingsplan „Marathon in 3:00 Stunden“ Abstand nehmen.
Noch viel entscheidender ist aber, „dass man erst an eine Marathonteilnahme denken sollte, wenn man über Jahre regelmäßig mindestens zwei Mal pro Woche läuft und auch schon problemlos mindestens anderthalb Stunden durchhält“, erklärt Ulrike Maisch. Denn wenn man mit dem Vorhaben Marathon ernst macht, werden die Trainingsumfänge ziemlich schnell nach oben geschraubt. Wer da noch nicht an viele Läufe gewöhnt ist, wird eher früh als spät Probleme mit den Sehnen und Gelenken bekommen.
2) Trainingsplanung
Idealerweise würde natürlich jeder, der an einem Marathon teilnehmen möchte, einen eigens auf ihn zugeschnittenen Trainingsplan besitzen. Das kostet jedoch Geld – und muss auch nicht unbedingt bedeuten, dass dieser Trainingsplan tatsächlich ideal für ihn ist.
Ein paar grundsätzliche Dinge gehören jedoch in jeden Trainingsplan: Langsame Läufe (und somit der Aufbau der Grundlagenausdauer) nehmen den größten Anteil ein. Ulrike Maisch erklärt: „Natürlich gibt es individuelle Unterschiede. Doch bei der Vorbereitung auf den ersten Marathon sollten die langen Läufe im so genannten Wohlfühltempo etwa drei Viertel des Gesamtumfangs ausmachen, ein Viertel der Läufe werden dann etwas zügiger gestaltet. Für das Tempotraining bieten sich einige Möglichkeiten an: Man kann Steigerungsläufe machen, Tempointervalle, Bergsprints, Fahrtspiele oder Tempodauerläufe.“
Ulrikes Tipp: „Verschiedene Formen des Tempotrainings sorgen nicht nur für unterschiedliche Trainingsreize, sondern bringen auch mehr Abwechslung ins Training.“
3) Kilometer sammeln ist nicht alles
Lange Zeit ist man nach der Devise verfahren: Je mehr Trainingskilometer, desto besser. Und natürlich wird man keine Topform erreichen, wenn man die Beine hochlegt. Doch von übertriebenem Kilometer sammeln raten die Medizin- und die Sportwissenschaft mittlerweile ab. Gerade für Hobbysportler erhöht sich durch „stumpfes“ Kilometerbolzen das Verletzungs- und Überlastungsrisiko.
Doch eine Reduzierung der Trainingseinheiten von fünf bis sechs auf drei bis vier Einheiten pro Woche im Amateurbereich muss nicht bedeuten, dass man damit schlechtere Ergebnisse erzielt. Am lauffreien Tagen bieten sich etwa gezieltes Stretching oder Kraft- und Stabilisationstraining an. „Kraft- und Stabitraining ist sehr wichtig. Ich binde es regelmäßig in mein Training ein. Ein stabiler Rumpf und kräftige Beine ökonomisieren den Laufstil“, sagt Marathon-Profi Ulrike Maisch.
Auch Alternativtraining (Schwimmen, Radfahren, Inlineskaten etc.) kann in den Trainingsplan integriert werden. Es ist jedoch nicht jedermanns Sache, wie Ulrike Maisch weiß: „Mit Alternativtraining tun sich viele Läufer schwer. Ich persönlich hab‘s immer gerne gemacht und halte das auch für sinnvoll, besonders um das Durchhalten für die ganz langen Strecken zu trainieren.“
4) Tipps für den Wettkampf
Ist der große Tag dann gekommen, heißt es: Ruhe bewahren. Gerade am Anfang ist die Nervosität im Starterfeld groß, die meisten Läufer gehen das Rennen zu schnell an. Wer das tut, erhält meistens auf der zweiten Hälfte der Strecke die Quittung, wenn nämlich die Kräfte schwinden und man sich ins Ziel quält.
Ulrikes Tipp: „Optimal ist ein gleichmäßiges Tempo. Vor allem am Anfang lieber etwas zu langsam als zu schnell laufen. Ansonsten machen die letzten 10 km gar keinen Spaß mehr und werden zur Quälerei.”
Wichtig ist auch, im Wettkampf keine Experimente einzugehen, wie Ulrike bestätigt: „Nur in Kleidung und Schuhen laufen, die man schon ein paar Mal im Training getragen hat. Besonders neue Schuhe können Blasen verursachen.“
Eigentlich unnötig zu erwähnen: Bereits vor dem Wettkampf die Glykogenspeicher füllen und ausreichend trinken, aber auch im Wettkampf jede Chance zur Verpflegung wahrnehmen. Dabei ist gerade unerfahreneren Läufern zu empfehlen, die Getränke im Gehen zu konsumieren und in Ruhe zu essen (z.B. Bananenstücke). Die paar Sekunden kann man verschmerzen. Außerdem will aus einem Becher trinken bei einem Lauftempo von 10 km/h und mehr gelernt sein.
5) Was tun bei Motivationsproblemen?
Vor allem in der langen Vorbereitung kann man schon einmal Probleme mit der Motivation bekommen. Da ist es überhaupt nicht schlimm, auch einmal eine Trainingseinheit ausfallen zu lassen und stattdessen etwas zu tun, worauf man Lust hat. Wenn es einem mit der Marathonteilnahme ernst ist, wird die Motivation schnell wiederkehren.
Für den Wettkampf hat Ulrike Maisch noch einen ganz besonderen Tipp: „Wenn ich während eines Marathons gegen meinen inneren Schweinehund ankämpfen muss, denke ich an die Sachen, die ich mir gönnen werde, wenn ich das Rennen überstehe: ein paar Tage ausruhen und einfach tun worauf man Lust hat. Die Vorfreude auf das, was man lange entbehren musste, trägt einen dann ins Ziel. Und die Zuschauer an der Strecke und die Familie im Ziel tun ihr Übriges.“
Mehr Infos über Ulrike Maisch findet Ihr hier