gettyimages.de -- Zvonimir Serdarusic im vergangenen Dezember mit PSG in Montpellier
Der Handballweise geht in den Ruhestand
- Frank Schneller
Mit Saisonschluss der Handballer endet auch eine große, bewegte Trainerlaufbahn: Die des ehemaligen Kieler Meistermachers Zvonimir Serdarusic, den die meisten nur ‚Noka’ nennen und den sein Ziehsohn Nikola Karabatic einst mit „Yoda“ verglich. Eine Bilanz von Frank Schneller.
Titel und Pokal sind längst nicht die einzigen Währung, die einzigen Werte im Sport. Auch nicht im Spitzensport. Aber diese Bilanz beeindruckt dann doch: Bundesliga-Aufstieg mit dem VfL Bad Schwartau. Bundesliga-Aufstieg mit der SG Flensburg-Handewitt. Elfmal Deutscher Meister mit dem THW Kiel. Fünfmal DHB-Pokalsieger mit dem THW. Drei EHF Cup- und ein Champions League-Triumph mit Kiel. Slowenischer Meister und Pokalsieger mit Celje. Dreimal in Folge Meister in Frankreich mit Paris, drei Cup-Siege mit PSG – nur die dreimalige Teilnahme mit der Promi-Equipe von PSG am Champions League-Final Four in Köln mag dem Betrachter nicht so recht in die Aufzählung der Erfolge der 67 Jahre alten Trainer-Institution Noka Serdarusic passen, denn: Gewinnen konnte er die Königsklasse mit Paris nicht. Und obwohl er nach eigener Aussage nur den Auftrag hatte, Köln anders als seine Vorgänger bei PSG endlich und möglichst oft während seiner Amtszeit zu erreichen, liegt auf der Hand: Diese Bilanz (2016 Dritter, 2017 Finalist – Niederlage mit dem Schlusspfiff, 2018 Dritter) kann ihn zwar nicht mehr erschüttern, aber sie ärgert ihn. Seine Enttäuschung war entsprechend greifbar am vorletzten Wochenende. Verständlich. Der Meistertitel, der am vergangenen Donnerstag nach einer beeindruckenden Aufholjagd in der Liga noch gewonnen werden konnte, ist eine große Leistung, taugt aber nur bedingt zur Frustbewältigung.
Sein Dienst in Paris erschien quasi wie eine Auftragsarbeit angesichts der beträchtlichen Investitionen aus Katar. Jeder hatte PSG in den letzten drei Jahren bequemerweise zum Top-Favoriten der Königsklasse ernannt. Als sei der Triumph eine Selbstverständlichkeit für Paris. Auch Serdarusic wusste das. Und er wusste es einzuordnen. Planbar nämlich ist dieser Titel nun mal nicht. Das mussten schließlich auch die Fußballer von PSG erfahren. Immerhin: Die Handballer waren dank Serdarusic viel näher dran.
Sein ursprünglicher Zwei-Jahres-Vertrag war im Frühjahr 2017 um eine weitere Saison verlängert worden. Nun aber ist Schluss. „Endlich“, betont er nach 35 Jahren Trainerdasein. Wie er sich seinen herbeigesehnten Ruhestand vorstellt? „Ich werde ein paar Monate pro Jahr bei meiner Familie in Deutschland sein und ein paar an der kroatischen Küste.“ Serdarusic kokettiert seit geraumer Zeit damit, reif für die Rente zu sein. Doch dahinter verbergen sich schon länger kardiologische Probleme. Drei Eingriffe wegen Herzrhythmusstörungen hat er bereits hinter sich. Experten in Paris und Kiel hatten ihm schon vor geraumer Zeit angeraten, kürzer zu treten. Doch der gesundheitlich gezeichnete Vollblut-Trainer wollte diese eine Saison noch durchziehen. Bei aller Vorfreude auf die stressfreiere Zeit. Bei aller Müdigkeit nach all den Jahren. Denn auch das Leben in der stressigen Millionenmetropole Paris verlangte den Serdarusics einiges ab. Mehrere Wohnungswechsel, der Verkehr, die Hektik der Weltstadt – das war nicht unbedingt ihr Ding. Sie mögen es lieber beschaulicher.
Es mag seine gefühlte Verpflichtung gegenüber dem Personal gewesen sein, vor allem gegenüber jenen, die u.a. wegen ihm zu PSG kamen (Luka Stepancic, Uwe Gensheimer, Sander Sagosen, die Karabatic-Brüder, Co-Trainer Staffan Olsson ...) oder dort verlängerten (Mikkel Hansen, Thierry Omeyer, Daniel Narcisse ...), die ihn durchhalten ließ. Trotz etlicher Widrigkeiten in dieser Spielzeit: Verletzungsprobleme, nachträgliche Sperren für die Karabatics in der Liga während der Hinrunde. Einknicken aber galt nicht. Schließlich war da ja der große gemeinsame Wunsch, die Königsklasse zu gewinnen. „Wir sind alle hier, um Noka zum Abschied diesen Pott zu schenken“, sagte Thierry Omeyer im Vorfeld des Final4, „alle wollen nur das“.
Vielleicht war das zu viel gewollt. Das Team verkrampfte im Halbfinale gegen Nantes und ließ zig ‚Hundertprozentige’ aus. Freilich keine Einstellungssache – wer in Köln dabei ist, hat kein Motivationsproblem. Da ist für 48 Stunden niemand zu satt. Aber gehemmt – das waren die PSG-Stars schon.
Das Finale gewann bekanntlich Montpellier, der andere große Rivale von PSG in der heimischen Liga, den man dort aufgrund des gewonnenen direkten Vergleichs pikanterweise doch noch abfangen konnte, obwohl die Meisterschaft nach der Hinrunde angesichts von sechs Punkten Rückstand eigentlich abgeschrieben war. Denn die inzwischen bärenstarke Liga Frankreichs kann gnadenlos sein. „Du darfst nirgends und gegen niemanden mit angezogener Handbremse spielen, nie herum experimentieren – dafür sind die Teams inzwischen viel zu stark. Wenn dir – wie uns häufig in dieser Saison – drei, vier wichtige Spieler fehlen, wird es schon sehr schwer, beim Tabellenachten in dessen voller Halle zu gewinnen. Die französische Liga ist voller sehr guter Handballer und vor allem auch voller sehr guter Trainerkollegen – sie ist keine Operettenliga. Ganz im Gegenteil. Sie ist längst auf der Überholspur.“ Die sieben Minuspunkte kassierte PSG allesamt in der Vorrunde. Viele Ergebnisse in der Rückrunde waren knapp.
In der Champions League aber lief es meistens rund. Alle waren sich einig: Kein anderes Team spielte 2017/2018 so stark wie PSG. Bis Köln... Kein anderes Team war in der Königsklasse zudem seit der Spielzeit 2015/2016 so konstant wie Paris: 41 Siege, vier Unentschieden und nur sieben Niederlagen: PSG war der Dauerbrenner. Bis Köln ... „Allein, dreimal in Folge dort gewesen zu sein, erachte ich als Erfolg. Denn ich weiß, wie schwer es ist, selbst mit einer nominell hochkarätig besetzten Truppe dorthin zu kommen. Es gibt mehrere Mannschaften, die vergleichbar starkes Personal haben. Da entscheiden dann Nuancen, Tagesform, Verletzungsprobleme am Ende einer langen Saison“, sagt Serdarusic, „echte Fachleute bewerten ein Team eh nicht nur nach Namen. Und sie wissen auch, dass ein Team sich erst entwickeln und wachsen muss.“ Aber natürlich wollte der Trainer am Ende mehr. Da sind alle vorherigen Glanzleistungen dann Makulatur.
Seine Truppe hatte Serdarusic sukzessive umgebaut: Vom teuren Starensemble zum immer noch teuren, aber deutlich logischer und perspektivischer zusammengesetzten Team mit jüngeren Toptalenten wie Sander Sagosen (22), Benoit Kounkoud (22), Nedim Remili (22) oder Edouard Kempf (20). Namhafte Altstars wie Robert Gunnarsson, Igor Vori, Xavier Barachet, William Accambray, Fahrudin Melic und viele andere schickte er derweil fort. Natürlich waren seine ‚Ziehsöhne’, die Karabatic-Brüder, und Torwart-Legende Thierry Omeyer noch immer Säulen des PSG-Teams. Auch seinen Kapitän, Daniel Narcisse, wollte er wegen dessen Integrität und Routine noch ein weiteres Jahr behalten, trotz erheblicher Verletzungsprobleme. Und so hängte auch ‚Air France’ noch eine Saison als Edel-Joker dran. Doch Serdarusic achtete stets darauf, für wen PSG viel Geld in die Hand nimmt – und für wen nicht. Wer dem Team noch gut tut – und wer nicht. Ein Überangebot an namhaften Stars, ein aufgeblähter Kader – das war und ist nicht Serdarusic’ Konzept. Klein, aber fein – so sollten seine Teams stets sein.
Das hat Tradition: In den Neunzigern eilten die Kieler schon von Titel zu Titel, bevor sie sich einen absoluten Top-Kader leisten und wählerisch sein konnten. Serdarusic hatte vielmehr ein Händchen dafür, eine Gruppe Spieler so kompakt zusammenzustellen, zu ergänzen und zu fördern, dass diese als Einheit bestmöglich funktionierte. Wie eine intakte Familie sogar. Die Vielzahl an großen Namen, und verheißungsvollen Talenten die Erfolge von vorn herein wahrscheinlicher machten, kam erst an die Förde, als Kiel längst eine Top-Adresse war und sich herumgesprochen hatte, was THW-Legende Marcus Ahlm später einmal so beschrieb: „Noka hat die Gabe, jedem Spieler in jedem Training etwas zu vermitteln, etwas neues beizubringen.“
Viele, die alles aus sich herausholen wollten und durch die harte Schule Serdarusic’ gingen, wurden Nationalspieler. Weltklasse-Akteure bisweilen: Thomas Knorr, Sebastian Preiß, Christian Zeitz, Kim Andersson, Dominik Klein. Um nur einige wenige zu nennen. Einen Quereinsteiger wie Luka Karabatic machte er vom langjährigen Tennistalent zum Kreisläufer und Abwehrspieler erster Güte. Andere begabte Profis wollten dennoch nicht unter ihm trainieren – sie fürchteten Serdarusic’ hohe Anforderungen und den manchmal wenig diplomatischen Umgangston. Sie erlebten folglich auch nie, dass sich der knorrige, selten diplomatische Übertrainer auch als empathische Vaterfigur outen konnte. Nikola Karabatic hat seinen Mentor einst den „Yoda des Handballs“ genannt: Einen Handball-Weisen.
Insbesondere der THW Kiel profitierte nachhaltig von Serdarusic’ Arbeit – freilich im jahrelangen Zusammenwirken mit seinem kongenialen Partner Uwe Schwenker. Was die beiden bis zu ihrem Zerwürfnis rund um die Manipulationsaffäre – einem trotz Freispruchs dunklen Kapitel seiner ansonsten glänzenden Karriere – aufgebaut hatten, wirkte noch jahrelang nach. Serdarusic ging nach einer Auszeit ins Ausland. Von den seinerzeit eingezogenen Strukturen jedoch lebte der Rekordmeister noch Spielzeiten später. Viele weitere Erfolge des THW hatten ihren Ursprung in der Serdarusic/Schwenker-Ära.
Auch bei seinem Engagement in Aix en Provence, der Station nach seinem Gastspiel in Slowenien, nahm er gezielten Einfluss auf die dortige Personalpolitik. Wenn auch mit erheblich bescheideneren Bordmitteln. „Gerade dann aber muss man schlau sein und kreativ planen“, erklärt er. So riet er den PAUC-Verantwortlichen zu mancher Personalie, die sich inzwischen längst als Volltreffer erwiesen hat, inklusive der Verpflichtung des ehemaligen Weltstars Jérome Fernandez als (Spieler-)Trainer. Heute mischt der Klub in der extrem starken LNH vorne mit. Neben dem zweimaligen Klassenerhalt mit Pays d’Aix UC war diese Weichenstellung eine seiner größten Meisterleistungen, wenn auch eine kaum beachtete.
Selbst bei PSG hat er hinter den Kulissen vieles bewegt. Ein traditioneller Handball-Standort wie Kiel oder Celje nämlich war und ist Paris bislang nicht. Prickelnde Heimspielatmosphäre, eine gewachsene Fanbasis und eine eigene Klub-Identität – das hatte PSG bei Serdarusic’ Ankunft kaum zu bieten. Und ein zweites Kiel, wie es zu seiner und Uwe Schwenkers Zeit war, wird das ‚Projekt’ in Paris nie werden. Aber: Seine Transferpolitik und der stetige Hinweis auf die Notwendigkeit einer gezielten und durchlässigen Talentförderung könnten einen Einschnitt für PSG bedeuten.
Auch ohne die Krönung in Köln hat Serdarusic die Bundesliga und den internationalen Handball auf seine Art entscheidend mitgeprägt. Titel und Pokale mögen das dokumentieren. Elogen, Anekdoten und selbst kritische Stimmen seiner Weggefährten beschreiben seinen nachhaltigen Einfluss indes noch treffender. Das ist es, was man sein ‚Lebenswerk’ nennen kann, sein Vermächtnis.
Sein Dienst in Paris erschien quasi wie eine Auftragsarbeit angesichts der beträchtlichen Investitionen aus Katar. Jeder hatte PSG in den letzten drei Jahren bequemerweise zum Top-Favoriten der Königsklasse ernannt. Als sei der Triumph eine Selbstverständlichkeit für Paris. Auch Serdarusic wusste das. Und er wusste es einzuordnen. Planbar nämlich ist dieser Titel nun mal nicht. Das mussten schließlich auch die Fußballer von PSG erfahren. Immerhin: Die Handballer waren dank Serdarusic viel näher dran.
Sein ursprünglicher Zwei-Jahres-Vertrag war im Frühjahr 2017 um eine weitere Saison verlängert worden. Nun aber ist Schluss. „Endlich“, betont er nach 35 Jahren Trainerdasein. Wie er sich seinen herbeigesehnten Ruhestand vorstellt? „Ich werde ein paar Monate pro Jahr bei meiner Familie in Deutschland sein und ein paar an der kroatischen Küste.“ Serdarusic kokettiert seit geraumer Zeit damit, reif für die Rente zu sein. Doch dahinter verbergen sich schon länger kardiologische Probleme. Drei Eingriffe wegen Herzrhythmusstörungen hat er bereits hinter sich. Experten in Paris und Kiel hatten ihm schon vor geraumer Zeit angeraten, kürzer zu treten. Doch der gesundheitlich gezeichnete Vollblut-Trainer wollte diese eine Saison noch durchziehen. Bei aller Vorfreude auf die stressfreiere Zeit. Bei aller Müdigkeit nach all den Jahren. Denn auch das Leben in der stressigen Millionenmetropole Paris verlangte den Serdarusics einiges ab. Mehrere Wohnungswechsel, der Verkehr, die Hektik der Weltstadt – das war nicht unbedingt ihr Ding. Sie mögen es lieber beschaulicher.
Es mag seine gefühlte Verpflichtung gegenüber dem Personal gewesen sein, vor allem gegenüber jenen, die u.a. wegen ihm zu PSG kamen (Luka Stepancic, Uwe Gensheimer, Sander Sagosen, die Karabatic-Brüder, Co-Trainer Staffan Olsson ...) oder dort verlängerten (Mikkel Hansen, Thierry Omeyer, Daniel Narcisse ...), die ihn durchhalten ließ. Trotz etlicher Widrigkeiten in dieser Spielzeit: Verletzungsprobleme, nachträgliche Sperren für die Karabatics in der Liga während der Hinrunde. Einknicken aber galt nicht. Schließlich war da ja der große gemeinsame Wunsch, die Königsklasse zu gewinnen. „Wir sind alle hier, um Noka zum Abschied diesen Pott zu schenken“, sagte Thierry Omeyer im Vorfeld des Final4, „alle wollen nur das“.
Vielleicht war das zu viel gewollt. Das Team verkrampfte im Halbfinale gegen Nantes und ließ zig ‚Hundertprozentige’ aus. Freilich keine Einstellungssache – wer in Köln dabei ist, hat kein Motivationsproblem. Da ist für 48 Stunden niemand zu satt. Aber gehemmt – das waren die PSG-Stars schon.
Das Finale gewann bekanntlich Montpellier, der andere große Rivale von PSG in der heimischen Liga, den man dort aufgrund des gewonnenen direkten Vergleichs pikanterweise doch noch abfangen konnte, obwohl die Meisterschaft nach der Hinrunde angesichts von sechs Punkten Rückstand eigentlich abgeschrieben war. Denn die inzwischen bärenstarke Liga Frankreichs kann gnadenlos sein. „Du darfst nirgends und gegen niemanden mit angezogener Handbremse spielen, nie herum experimentieren – dafür sind die Teams inzwischen viel zu stark. Wenn dir – wie uns häufig in dieser Saison – drei, vier wichtige Spieler fehlen, wird es schon sehr schwer, beim Tabellenachten in dessen voller Halle zu gewinnen. Die französische Liga ist voller sehr guter Handballer und vor allem auch voller sehr guter Trainerkollegen – sie ist keine Operettenliga. Ganz im Gegenteil. Sie ist längst auf der Überholspur.“ Die sieben Minuspunkte kassierte PSG allesamt in der Vorrunde. Viele Ergebnisse in der Rückrunde waren knapp.
In der Champions League aber lief es meistens rund. Alle waren sich einig: Kein anderes Team spielte 2017/2018 so stark wie PSG. Bis Köln... Kein anderes Team war in der Königsklasse zudem seit der Spielzeit 2015/2016 so konstant wie Paris: 41 Siege, vier Unentschieden und nur sieben Niederlagen: PSG war der Dauerbrenner. Bis Köln ... „Allein, dreimal in Folge dort gewesen zu sein, erachte ich als Erfolg. Denn ich weiß, wie schwer es ist, selbst mit einer nominell hochkarätig besetzten Truppe dorthin zu kommen. Es gibt mehrere Mannschaften, die vergleichbar starkes Personal haben. Da entscheiden dann Nuancen, Tagesform, Verletzungsprobleme am Ende einer langen Saison“, sagt Serdarusic, „echte Fachleute bewerten ein Team eh nicht nur nach Namen. Und sie wissen auch, dass ein Team sich erst entwickeln und wachsen muss.“ Aber natürlich wollte der Trainer am Ende mehr. Da sind alle vorherigen Glanzleistungen dann Makulatur.
Seine Truppe hatte Serdarusic sukzessive umgebaut: Vom teuren Starensemble zum immer noch teuren, aber deutlich logischer und perspektivischer zusammengesetzten Team mit jüngeren Toptalenten wie Sander Sagosen (22), Benoit Kounkoud (22), Nedim Remili (22) oder Edouard Kempf (20). Namhafte Altstars wie Robert Gunnarsson, Igor Vori, Xavier Barachet, William Accambray, Fahrudin Melic und viele andere schickte er derweil fort. Natürlich waren seine ‚Ziehsöhne’, die Karabatic-Brüder, und Torwart-Legende Thierry Omeyer noch immer Säulen des PSG-Teams. Auch seinen Kapitän, Daniel Narcisse, wollte er wegen dessen Integrität und Routine noch ein weiteres Jahr behalten, trotz erheblicher Verletzungsprobleme. Und so hängte auch ‚Air France’ noch eine Saison als Edel-Joker dran. Doch Serdarusic achtete stets darauf, für wen PSG viel Geld in die Hand nimmt – und für wen nicht. Wer dem Team noch gut tut – und wer nicht. Ein Überangebot an namhaften Stars, ein aufgeblähter Kader – das war und ist nicht Serdarusic’ Konzept. Klein, aber fein – so sollten seine Teams stets sein.
Das hat Tradition: In den Neunzigern eilten die Kieler schon von Titel zu Titel, bevor sie sich einen absoluten Top-Kader leisten und wählerisch sein konnten. Serdarusic hatte vielmehr ein Händchen dafür, eine Gruppe Spieler so kompakt zusammenzustellen, zu ergänzen und zu fördern, dass diese als Einheit bestmöglich funktionierte. Wie eine intakte Familie sogar. Die Vielzahl an großen Namen, und verheißungsvollen Talenten die Erfolge von vorn herein wahrscheinlicher machten, kam erst an die Förde, als Kiel längst eine Top-Adresse war und sich herumgesprochen hatte, was THW-Legende Marcus Ahlm später einmal so beschrieb: „Noka hat die Gabe, jedem Spieler in jedem Training etwas zu vermitteln, etwas neues beizubringen.“
Viele, die alles aus sich herausholen wollten und durch die harte Schule Serdarusic’ gingen, wurden Nationalspieler. Weltklasse-Akteure bisweilen: Thomas Knorr, Sebastian Preiß, Christian Zeitz, Kim Andersson, Dominik Klein. Um nur einige wenige zu nennen. Einen Quereinsteiger wie Luka Karabatic machte er vom langjährigen Tennistalent zum Kreisläufer und Abwehrspieler erster Güte. Andere begabte Profis wollten dennoch nicht unter ihm trainieren – sie fürchteten Serdarusic’ hohe Anforderungen und den manchmal wenig diplomatischen Umgangston. Sie erlebten folglich auch nie, dass sich der knorrige, selten diplomatische Übertrainer auch als empathische Vaterfigur outen konnte. Nikola Karabatic hat seinen Mentor einst den „Yoda des Handballs“ genannt: Einen Handball-Weisen.
Insbesondere der THW Kiel profitierte nachhaltig von Serdarusic’ Arbeit – freilich im jahrelangen Zusammenwirken mit seinem kongenialen Partner Uwe Schwenker. Was die beiden bis zu ihrem Zerwürfnis rund um die Manipulationsaffäre – einem trotz Freispruchs dunklen Kapitel seiner ansonsten glänzenden Karriere – aufgebaut hatten, wirkte noch jahrelang nach. Serdarusic ging nach einer Auszeit ins Ausland. Von den seinerzeit eingezogenen Strukturen jedoch lebte der Rekordmeister noch Spielzeiten später. Viele weitere Erfolge des THW hatten ihren Ursprung in der Serdarusic/Schwenker-Ära.
Auch bei seinem Engagement in Aix en Provence, der Station nach seinem Gastspiel in Slowenien, nahm er gezielten Einfluss auf die dortige Personalpolitik. Wenn auch mit erheblich bescheideneren Bordmitteln. „Gerade dann aber muss man schlau sein und kreativ planen“, erklärt er. So riet er den PAUC-Verantwortlichen zu mancher Personalie, die sich inzwischen längst als Volltreffer erwiesen hat, inklusive der Verpflichtung des ehemaligen Weltstars Jérome Fernandez als (Spieler-)Trainer. Heute mischt der Klub in der extrem starken LNH vorne mit. Neben dem zweimaligen Klassenerhalt mit Pays d’Aix UC war diese Weichenstellung eine seiner größten Meisterleistungen, wenn auch eine kaum beachtete.
Selbst bei PSG hat er hinter den Kulissen vieles bewegt. Ein traditioneller Handball-Standort wie Kiel oder Celje nämlich war und ist Paris bislang nicht. Prickelnde Heimspielatmosphäre, eine gewachsene Fanbasis und eine eigene Klub-Identität – das hatte PSG bei Serdarusic’ Ankunft kaum zu bieten. Und ein zweites Kiel, wie es zu seiner und Uwe Schwenkers Zeit war, wird das ‚Projekt’ in Paris nie werden. Aber: Seine Transferpolitik und der stetige Hinweis auf die Notwendigkeit einer gezielten und durchlässigen Talentförderung könnten einen Einschnitt für PSG bedeuten.
Auch ohne die Krönung in Köln hat Serdarusic die Bundesliga und den internationalen Handball auf seine Art entscheidend mitgeprägt. Titel und Pokale mögen das dokumentieren. Elogen, Anekdoten und selbst kritische Stimmen seiner Weggefährten beschreiben seinen nachhaltigen Einfluss indes noch treffender. Das ist es, was man sein ‚Lebenswerk’ nennen kann, sein Vermächtnis.