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Depression: Wie komme ich da wieder raus?
- Jörg Birkel
Patrick Kraft hat seine Erlebnisse in einem Buch verarbeitet, welches wir hier bereits vorgestellt haben: „Mein Weg aus der Depression“. Darin schreibt der Triathlet, wie er sich auf seinen ersten Langdistanztriathlon vorbereiten wollte, aber einen schweren Radunfall erlitt. Ein komplizierter und äußerst schmerzhafter Beckenbruch ließ monatelang keinen Sport zu, seine berufliche Karriere geriet in Gefahr, seine Ehe drohte zu scheitern, und er dachte an Selbstmord.
Dass er an einer Depression leiden könnte, glaubte er nicht. Doch ein völliger Zusammenbruch gab den Ausschlag: Er ging zum Arzt und hatte endlich wieder ein neues Ziel – zurück ins Leben finden.
Inzwischen nimmt Patrick wieder an Triathlons teil. Er berichtet im netzathleten-Interview, wie es ihm heute geht.
Hallo Patrick, wie lange ist dein Radunfall jetzt her, und wie hast du die körperlichen Folgen überstanden?
Der Unfall ist inzwischen fast vier Jahre her, aber ich habe teils immer noch mit den Folgen zu kämpfen. Wobei ich mittlerweile trotz aller Probleme wieder Sport treiben kann. Und das ist schon einmal viel wert! Allerdings braucht sich mein Physiotherapeut nicht über mangelnde Arbeit zu beklagen. :-)
Was war eigentlich schlimmer: die körperlichen Verletzungen oder die psychischen?
Das ist nicht unbedingt vergleichbar. Die langen körperlichen Schmerzen waren dabei tatsächlich eine der Hauptursachen für die Depression. Aber die Folgen der psychischen Probleme waren definitiv schlimmer.
Du warst wegen Deiner Depression in stationärer Behandlung und in Reha. Und du hast anschließend alles aufgeschrieben, um es leichter zu verarbeiten. Hattest du von Anfang an geplant, dass ein Buch daraus wird?
Nein, überhaupt nicht. Das Ganze war rein für mich zur Auf- und Verarbeitung gedacht. Ich habe das Ergebnis dann irgendwann meinem besten Freund zum Lesen gegeben, und er meinte, das sollte man veröffentlichen.
Dein Buch endet sehr positiv. Warst Du wirklich so schnell wieder geheilt, oder hattest Du später noch Rückfälle bzw. depressive Phasen?
Von geheilt kann man eigentlich nie sprechen, eher therapiert. Ich spüre immer mal wieder Symptome der Krankheit, wie z.B. innere Angespanntheit. Das habe ich aber alles im Griff.
Viele Beziehungen scheitern, wenn ein Partner an einer Depression erkrankt. Auch du hast ja erlebt, wie belastend es für eine Ehe sein kann. Was rätst du anderen Paaren in einer solchen Situation?
Ganz wichtig: Auch der Gesunde braucht Hilfe, darf nicht auf sich allein gestellt sein, denn die Belastung durch einen depressiven Partner ist enorm und alleine kaum zu bewältigen. Gut wäre eine Selbsthilfegruppe für Angehörige, aber die gibt es leider kaum. Freunde und Familie sind wichtig, für beide. Was meine Frau ausgehalten hat, ist kaum in Worte zu fassen. Ich bin sehr stolz auf sie, dass sie diese Zeit durchgehalten hat.
Vor deinem Unfall hattest du sehr hohe Ansprüche an dich und deine Leistungen. Kann das die Depression gefördert haben, und hat sich daran jetzt etwas geändert?
Damals hatte ich ein viel zu hohes Anspruchsdenken. Es mussten immer 100, besser 140% sein. Als das nicht mehr machbar war, habe ich natürlich gelitten. Das sehe ich mittlerweile viel lockerer. Wenn es z.B. körperlich mal nicht mehr geht, steige ich aus einem Wettkampf aus mit dem Gefühl, das Richtige getan zu haben. Wenn ich keine Lust auf Training habe, dann lasse ich auch mal eine Einheit locker angehen oder ausfallen. Außerdem mache ich viel weniger Wettkämpfe und beschränke mich auf bestimmte Highlights.
Wie wichtig ist der Sport heute für dich?
Der Sport ist nicht mehr die Nummer 1 in meinem Leben. An erster Stelle kommt meine wundervolle Familie. Dann meine Freunde. So, wie es doch eigentlich sein soll. Erst danach folgen der Sport und meine Arbeit auf gleicher Höhe.
Als du den Unfall hattest, warst du gerade in der Vorbereitung auf deine erste Langdistanz. Ist ein Ironman heute noch – bzw. wieder – ein Ziel für dich?
Nein. Ich weiß im Nachhinein gar nicht, wie ich damals fast 15 Stunden pro Woche trainieren konnte. Im Moment habe ich wieder eine Mitteldistanz im Blick. Mehr wird es aber in absehbarer Zeit nicht werden.
Vielen Dank für das nette Gespräch. Und viel Erfolg, nicht zuletzt bei deinen weiteren sportlichen Zielen!
Unser Buchtipp:
- „Mein Weg aus der Depression – wieso ein erfolgreicher Familienvater, Sportler und Banker plötzlich an Selbstmord dachte“
- Autor: Patrick N. Kraft
- ISBN: 978-3-941297-17-3
- 154 Seiten, 8,95 €
- Sportwelt Verlag
- Über den Autor