Leichtathletik-WM: Wo gibt es deutsche Medaillenchancen? getty images

Leichtathletik-WM: Wo gibt es deutsche Medaillenchancen?

  • Stefan Schnürle
In wenigen Tagen beginnt die Leichtathletik-WM in Moskau. Für Deutschland ist dann ein 67-köpfiges Team am Start. Wir haben schon einmal einen Blick vorausgeworfen und sagen, in welchen Disziplinen deutsche Athleten Medaillenchancen haben.

Männer

Diskurswurf: Wenn bei Großereignissen um Medaillen gekämpft wird, ist mit Robert Harting immer zu rechnen. So ist Harting amtierender Europameister, Weltmeister und Olympiasieger. Nach 35 Siegen in Serie hat er 2013 aber zum ersten Mal eine Niederlage einstecken müssen. Im niederländischen Hengelo schleuderte der Pole Piotr Malachowski den Diskus auf 71,84 Meter – die fünftbeste jemals erzielte Weite. Auch die Australier Benn Harradine und Julian Wruck haben mit erzielten Weiten von über 68 Meter in diesem Jahr gute Chancen auf Edelmetall.

Kugelstoßen: Mit David Storl kommt der amtierende Weltmeister in dieser Disziplin ebenfalls aus Deutschland. Als Favorit geht aber Ryan Whiting in den Wettkampf. Der US-Amerikaner hat als einziger Athlet in diesem Jahr bereits zweimal die 22-Meter-Marke geknackt und die fünf besten Weiten gestoßen. Davon ist Storl bis jetzt noch weit entfernt. Mit 21, 04 Meter folgt er erst auf Platz zehn der Jahresbestenliste. Der 23-Jährige ist jedoch dafür bekannt, seine besten Leistungen bei Großereignissen abzurufen. So ließ er bei seinem WM-Titel 2011 alle sieben Athleten hinter sich, die vor dem Finale in der Weltjahresbestenliste vor ihm platziert waren.

Stabhochsprung: Vieles deutet darauf hin, dass sich an dem Podest von London 2012 wenig verändern wird. Aus deutscher Sicht wäre das zu wünschen, denn schließlich gewannen Björn Otto und Raphael Holzdeppe damals Silber und Bronze. Auch 2013 zählen sie als Zweiter und Dritter der Jahresbestenliste zu den heißesten Medaillenkandidaten. Im Kampf um Gold dürfte kein Weg an Renaud Lavillenie vorbeiführen. Gleich sechs Wettkämpfe gewann er 2013 Höhen, die noch kein anderer Athlet in diesem Jahr gemeistert hat. Seine exzellente Form unterstrich Lavillenie kürzlich mit der Überquerung von 6,02 Meter in London.

Zehnkampf: Mit Pascal Behrenbruch, Rico Freimuth und Michael Schrader haben drei deutsche Athleten die höchsten Punktzahlen im Jahr 2013 erzielt. Gold ist dennoch außer Reichweite, denn schließlich gibt es noch Ashton Eaton. Dass der US-Amerikaner in der Jahresbestenliste nicht in den Top10 zu finden ist, ändert daran wenig. Der Weltrekordhalter (9039 Punkte) hat in diesem Jahr erst einen Zehnkampf komplett bestritten und mit mehreren Bestleistungen in verschiedenen Teildisziplinen bewiesen, dass er für die WM bereit ist. Auch Titelverteidiger Trey Hardee sollte nicht unterschätzt werden, wenngleich sein Saisonverlauf ein paar Fragezeichen aufwirft – er hat bisher 2013 noch keinen Wettkampf beendet.

4x100 Meter Staffel: Gold und Silber werden sich Jamaica und die USA holen, wenn sie keinen Wechselfehler begehen. Dahinter könnte ein offener Kampf um den dritten Platz entbrennen. Zu den Kandidaten auf Bronze zählt überraschenderweise auch die deutsche Staffel, die im Wettkampf in Weinheim aufhorchen ließen. Dort verpasste Martin Keller in 10,07 Sekunden den offiziellen deutschen Rekord von Frank Emmelmann nur um eine Hundertstelsekunde. Nachdem Julian Reus kurze Zeit später 10,08 Sekunden lief, machte sich endgültig Medaillenhoffnung im deutschen Lager breit. Immerhin hat man mit 38,13 Sekunden die drittschnellste Zeit in diesem Jahr erzielt.

Frauen

Speerwurf: Fünf Silber- und eine Bronzemedaille hat Christina Obergföll in den letzten Jahren bei Großereignissen gesammelt. Da ihre schärfste Konkurrentin Barbora Špotáková eine Babypause einlegt, könnte dieses Mal sogar der ganz große Wurf glücken. Obergfölls vorzeitiger Gesamtsieg in der Diamond League unterstreicht ihre Titel-Ambitionen. Die Jahresbestenliste führt mit 69,34 Meter allerdings die Russin Maria Abakumova an. Die Titelverteidigerin konnte ihre im März erzielte Weite bis jetzt aber nur bedingt bestätigen und musste sich 2013 bereits fünf Mal der Deutschen geschlagen geben. Die einzige Saisonniederlage für Obergföll gab es bei den Deutschen Meisterschaften. Dort sicherte sich Linda Stahl den Titel, die mit der drittbesten Weite des Jahres ebenfalls zu den Medaillenkandidatinnen zählt.

Hammerwurf: Betty Heidler gegen die heimischen Heldinnen. So könnte der Medaillenkampf im Hammerwurf-Finale lauten. Die Weltjahresbestweite von 78,15 Meter beschert dabei der 2007 des Dopings überführte Tatjana Lysenko die Favoritenrolle. Dank der ebenfalls gut platzierten Oksana Kondratyeva und Anna Bulgakova hat das russische Publikum sogar berechtigte Hoffnungen auf einen Dreifacherfolg. Dies verhindern können in erster Linie Betty Heidler und die Polin Anita Wlodarczyk. Heidler hat dabei die Chance ihre vierte WM-Medaille in Folge gewinnen. Etwas weniger Drama als in London, als ihre Weite zunächst falsch angezeigt und nachträglich handvermessen wurde, wäre ihr dabei sicher Recht.

Diskuswurf: Acht Starts, acht Siege – alles andere als Gold für die Kroatin Sandra Perkovic im Diskuswerfen wäre eine große Überraschung. Um die Plätze dahinter werden sich einige Athletinnen streiten, zu denen erfreulicherweise auch zwei Deutsche zählen sollten. Denn mit Platz vier und fünf in der Weltjahresbestenliste ist Nadine Müller und Julia Fischer eine Medaille zuzutrauen. Ihre schärften Gegnerinnen im Kampf um Silber und Bronze werden voraussichtlich die Kubanerinnen Yarelys Barrios und Yaime Pèrez sein. Die Chinesin Siyu Gu konnte dagegen ihre im Mai erzielten 67,86 Meter zuletzt nicht mehr bestätigen.

Weitsprung:
Fast aus dem Nichts hat sich Sostene Moguenara in den Kreis der Medaillenkandidatinnen gesprungen. Bei der Generalprobe vor der WM hat die im Tschad geborene 23-Jährige mit 7,04 Meter ihre Bestleistung um 16 Zentimeter gesteigert. Einzig Brittney Reese hat mit 7,25 Meter eine größere Weite in diesem Jahr erzielen können. Die US-Amerikanerin wäre bei einem Sieg die erste Weitspringerin, die drei Mal WM-Gold gewinnt. Dabei muss sie sich aber gegen starke Konkurrenz aus Nigeria, Russland, Großbritannien sowie dem eigenen Land durchsetzen – und gegen die neue deutsche Hoffnung Moguenara.

Stabhochspringen:
Zum ersten Mal seit der EM 2002 nimmt Jelena Isinbajewa nicht als klare Favoritin an einem Großereignis teil. Die Russin, die insgesamt 28 Weltrekorde aufstellte, will sich triumphal von ihrem russischen Publikum verabschieden, bevor sie den Stab für immer in die Ecke legt. Doch speziell Yarisley Silva (Kuba) und Jennifer Suhr (USA), die in der Bestenliste 2013 vor Isinbajewa liegen, könnten dabei zum Stolperstein werden. Auch wenn Martina Strutz verletzungsbedingt fehlt, hat Deutschland mit Carolin Hingst und Silke Spiegelburg ebenfalls gute Chancen eine Medaille abzugreifen.

Kugelstoßen: In kaum einer Disziplin stellt sich weniger die Frage, wer die Goldmedaille gewinnt, als im Kugelstoßen der Damen. Die Siegesserie der Neuseeländerin Valeria Adams steht aktuell bei 38 und mit 20,90 Meter hat sie in London jüngst ihre exzellente Form bewiesen. Dort gewann sie mit über einen Meter Vorsprung, was ihre Dominanz verdeutlicht. Hinter Adams könnte sich die US-Amerikanerin Michelle Carter mit der deutschen Christina Schwanitz um Silber und Bronze streiten. Aber auch die Chinesin Lijiao Gong hat in diesem Jahr schon über 20 Meter gestoßen.

Siebenkampf: Das Ergebnis ist aufgrund der Absagen von einigen Spitzenathleten völlig offen. Nach der britischen Olympiasiegerin Jesica Ennis-Hill musste nun auch die russische Titelverteidigerin Tatjana Tschernowa verletzungsbedingt auf ihrem Start verzichten. Deutschland hat mit der Olympia-Zweiten Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser ebenfalls zwei prominente Absagen zu verkraften. Zum Glück gibt es mit Julia Mächtig aber noch eine Athletin, die in die Bresche springen könnte. Immerhin hat sie 2013 mit 6430 Punkten den zweitbesten Wert hinter der US-Amerikanerin Sharon Day vorzuweisen. Doch die Punkteabstände sind ohne die Topstars äußerst gering, was einen spannenden Kampf um die Medaillen verspricht.

Wann die Entscheidungen jeweils anstehen, findest Du in unserem Zeitplan zur Leichtathletik-WM 2013

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten