Dopingproben von Athen 2004 verfallen ungeöffnet istockphoto.com/NiDerLander

Dopingproben von Athen 2004 verfallen ungeöffnet

  • Marco Heibel
Offiziell hat sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) dem Anti-Doping-Kampf verschrieben. Passiert ist allerdings wenig. Besonders pikant: Sämtliche Proben der Olympischen Spiele von Athen 2004, die bislang eingefroren sind, verfallen im Sommer. Das IOC scheint die letzte Chance auf Nachtests jedoch verstreichen zu lassen.

EIN KOMMENTAR

Sich den Anti-Doping-Kampf auf die Fahnen zu schreiben, ist in den letzten Jahren in jeder Sportart zu einem Imperativ geworden. Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich nach den Olympischen Spielen von Athen 2004 dem Ziel eines sauberen Sports verschrieben. Die Erklärung, alle Dopingproben der Spiele acht Jahre lang einzufrieren, um sie erneut überprüfen zu können, sobald die Testverfahren verbessert sind, sorgte damals für breite Zustimmung.

Fast acht Jahre sind seitdem vergangen, und alle 3667 eingefrorenen Athener Proben sind unangetastet. Im August, kurz nach den Spielen von London, werden sie gemäß der Vereinbarung vernichtet. Das IOC muss sich also sputen, wenn es noch gedopte Medaillengewinner von 2004 herausfischen will. Doch möchte das IOC das überhaupt?

Keine Nachtests geplant


Der WDR ist dieser Frage nachgegangen. Eine am 16. April 2012 in der Sendung „Sport Inside“ ausgestrahlte Reportage sorgt für die (erwartete) Ernüchterung. IOC-Chefmediziner Arne Ljungqvist äußerte sich in dem Beitrag dahingehend, dass er nichts von geplanten Nachtests wisse – und auch nicht glaube, dass diese Tests positive Befunde ans Tageslicht bringen würden. Also Deckel auf das Thema, weil Tests sinnlos wären?



Nein, denn sowohl die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) als auch führende Dopingforscher verweisen darauf, dass man Insulin, Epo, Wachstumshormone und anabole Steroide mittlerweile sehr viel besser nachweisen könne als noch vor acht Jahren. Heute vorgenommene Nachtests hätten also das Potenzial, die Sportwelt in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Wie viel Transparenz verträgt der Sport?


Folglich muss man den Eindruck gewinnen, dass die Athener Dopingproben nur pro forma eingefroren wurden. Denn seien wir mal ehrlich: Wer möchte sich schon sehenden Auges seinen schönen Sport – oder in diesem Falle: das Produkt Olympia – kaputtmachen?

Das Beispiel Radsport hat gezeigt, wie sehr man einen Sport (zumindest in Deutschland) zu Grunde richten kann, indem man das Thema Doping ins Zentrum der Berichterstattung rückt. Aus diesem Grund darf man zumindest den Verdacht hegen, dass in vielen Sportarten nur so viel getestet wird, wie es notwendig ist, um sich keine Nachlässigkeit nachsagen lassen zu müssen.

Ist das im Sinne eines sauberen Sports? Definitiv nicht. Doch man wird zumindest die Frage stellen dürfen, wie viel Wahrheit die Öffentlichkeit überhaupt vertragen würde: Wären wir glücklicher, wenn sich der Spitzensport als komplett „dopingverseucht“ erweisen würde?!

Aktuell befinden wir uns im wohligen Zustand des „Vielleicht ja, Vielleicht nein“. In diesem Zustand kann der Sportfan ruhig schlafen, sofern er sich nicht zu viele Fragen stellt. In diesem Zustand kann der Funktionär seinen Sport als Spektakel verkaufen. Und in diesem Zustand können die Medien thematisch aus dem Vollen schöpfen: Jeder große Sieg trägt gleichermaßen Faszination und Zweifel in sich. Perfekt ist das nicht, aber die Alternativen - Dopingfreigabe? Tod des Sports als Massenmagnet? Totaler Generalverdacht und bedingungslose Doping-Hetzjagd? - können auch niemanden vollends zufriedenstellen...

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