Wenn zu viel trinken gefährlich wird Christian Riedel

Wenn zu viel trinken gefährlich wird

  • Christian Riedel
Trinken ist beim Sport wichtig und richtig. Daher empfehlen alle Trainer und Sportmediziner, vor und während Training und Wettkampf ausreichend zu trinken. Falsch aber ist es, zu viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Die Überhydrierung kann sogar gefährlicher sein als Flüssigkeitsmangel.

Bekannt geworden ist der Fall einer 41-jährigen Marathonläuferin, die bei einem Marathon nach fünf Stunden ins Ziel kam und dort mit Kreislaufproblemen zusammengebrochen war (Notfall Rettungsmed 2009; 12:287-289). Wie bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit gingen die Notärzte von Flüssigkeitsmangel aus, das berichtet auch Dr. Stefan Trautwein vom Klinikum Kassel. Daher bekam die Läuferin in der Klinik Infusionen, um den Flüssigkeitsmangel auszugleichen. Das hat der Frau fast das Leben gekostet.

Das Problem war nämlich nicht Flüssigkeitsmangel, sondern zu viel Flüssigkeit (Überhydrierung). Die Frau hatte angegeben, während des Marathons ausreichend getrunken zu haben. Das hatte sie auch. Si trank sogar eher zu viel. Insofern verschlimmerten sich die Probleme durch die Infusionen zusätzlich. Am Ende musste die Marathonläuferin wegen Hirnödem und Hyponatriämie auf der Intensivstation behandelt werden. http://resources.metapress.com/pdf-preview.axd?code=d0565447q1256823&size=largest

Der Fall ist laut Dr. Trautwein kein Einzelfall. Beim Sport schwitzt man naturgemäß und verliert entsprechend viel Flüssigkeit und Mineralien. Da der Körper weniger leistungsfähig ist, wenn er ausgetrocknet ist, trinkt man zur Vorbeugung mehr Wasser oder Sportgetränke. Dabei meinen es einige Sportler zu gut und trinken mehr als eigentlich gut für sie ist. Fälle von Überhydrierung sind allem Anschein nach häufiger als man annimmt. Tatsächlich scheint die Gefahr einer Dehydrierung geringer zu sein, als die einer Überhydrierung. Das schreiben auch Forscher um Dr. Carl Heneghan von der britischen Oxford University in einer aktuellen Studie (BMJ 2012; 345:e4848). Den Britischen Wissenschaftler zu Folge gibt es noch keinen nachgewiesenen Todesfall durch eine Dehydrierung. Dagegen gab es schon einige Fälle, bei denen eine Überhydrierung zum Tod geführt hat. http://www.bmj.com/content/345/bmj.e4848

Leistungsstärker durch Durst?


Ein Problem ist hier mit Sicherheit, dass uns die Werbung glauben machen will, wir müssen immer und überall trinken. Vor, während und nach dem Wettkampf. Das ist kein Wunder, schließlich profitieren die Produzenten von Wasser und Sportgetränken, wenn die Sportler viel trinken. In vielen Fällen trinkt man aber eben mehr als man eigentlich brauchen würde. Selbst wenn man keinen Durst hat, schüttet man Flüssigkeit in sich hinein aus Angst vor dem Austrocknen. Auch viele Trainer und Sportmediziner empfehlen (noch) zu trinken bevor man Durst hat. Schließlich ist Durst ein Alarmsignal des Körpers, dass er zu wenig Flüssigkeit hat.

„Finger weg von Getränken solange man noch keinen Durst hat“, raten dagegen die britischen Forscher. Laut den Briten hat der Körper ausreichend Flüssigkeit, um auch einen Flüssigkeitsverlust von drei Prozent locker kompensieren zu können. In entsprechenden Studien konnten sie auch bei solch großen Verlusten bei den Testpersonen keine Leistungsminderung feststellen. Sogar war eher das Gegenteil der Fall und die Probanden waren bei leichter Dehydration leistungsstärker. Bei einem Flüssigkeitsverlust bis 2,3 Prozent des Körpergewichts schnitten die Testpersonen in entsprechenden Tests sogar besser ab als die Probanden, die mehr getrunken hatten.

Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Denn mit weniger Flüssigkeit waren die Sportler leichter. Und Gewicht hat bekanntlich einen großen Einfluss auf viele sportliche Leistungen. Zudem mussten sie ihren Wettkampf nicht unterbrechen, um zu trinken, und konnten daher im Rhythmus weiterlaufen bzw. Rad fahren. Laut Dr. Henegan führt der Rat, zu trinken bevor man Durst hat, nur dazu, dass man zu viel Flüssigkeit zu sich nimmt. Dadurch riskieren die Sportler aber auch ihre Gesundheit.

Dass Flüssigkeitsmangel kein Leistungshemmender Faktor sein muss, bewies beispielsweise bereits der US-Amerikaner Alberto Salazar, der bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles rund acht Prozent seines Körpergewichts durch Flüssigkeitsverlust verloren hatte. Dennoch beendet er den Marathon in einer Zeit von 2 Stunden und 14 Minuten (Timothy Noakes im Magazin „Runner's World“, Mai 2005). Aufgrund dieses Falls empfiehlt auch der Sportmediziner Noakes, bei einem Marathon nur rund 500ml Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Gefährlich wird es so Noakes, sobald man zwei Prozent des Körpergewichts an Flüssigkeit zu sich nimmt. Für einen 70kg schweren Läufer sind das 1,4l während eines Marathons, die bereits zu gesundheitlichen Schäden wie Wassereinlagerungen (Ödeme) führen könnten. Dass bei zu wenig Flüssigkeit das Blut eindicken könnte, hält Noakes dagegen für unsinnig und eher für eine Masche der Getränkeindustrie (BMJ 2012; 344:e4171).

Was ist nun gesund?


Ob Noakes, Heneghan und andere Wissenschaftler nun Recht haben oder nicht, kann man nicht so einfach beantworten. Dafür fehlen groß angelegte Vergleichsstudien. Auch wenn einige Studien die Vermutung aufgestellt haben, dass viele Sportler zu viel trinken und Flüssigkeitsmangel weniger schädlich ist als eine Überhydration, kann man das mit großer Sicherheit nicht für jeden Sportler anwenden. Wahrscheinlich liegt auch in diesem Fall wieder die Wahrheit in der Mitte. Solange man keinen Durst hat, muss man wohl auch nichts trinken und auch bei Flüssigkeit gibt es ein Zuviel des Guten. Bis also nicht etwas anderes bewiesen ist, ist das beste Mittel immer noch, auf seinen Körper zu hören.

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