Surf Dich krank – Der Cyberchonder
- Christian Riedel
Die Psyche spielt eine große Rolle, ob wir uns gesund oder krank fühlen. So kann der Glaube an Placebos die Gesundheit verbessern, während man beim Nocebo-Effekt davon ausgeht, an möglichen Nebenwirkungen von Medikamenten zu erkranken. Was dann auch passieren kann. In eine ähnliche Richtung gehen Cyberchonder. Wenn es ihnen schlecht geht, suchen sie im Internet nach ihren Symptomen und werden schnell fündig. Dabei finden sie in der Regel viel mehr, als eigentlich hinter den Beschwerden steckt.
Krank im Konjunktiv
Hätte, könnte, möglicherweise… Wenn man im Internet nach Symptomen sucht, wird man nicht nur fündig was die Grunderkrankung angeht, sondern findet auch viele mögliche Krankheiten, bei denen die Beschwerden nur eine Auswirkung der eigentlichen Krankheit ist. Kopfschmerzen können auf einen Tumor hindeuten, Magenschmerzen auf eine Stoffwechselkrankheit oder Müdigkeit auf eine Herzmuskelentzündung. Man muss eben nur lange genug suchen, um eine schlimme Krankheit zu finden, die zu den akuten Beschwerden passt. Und während man früher noch sagte: Wer gesund ist wurde einfach noch nicht gründlich untersucht kann man heute sagen: wer gesund ist, hat einfach noch nicht lange genug gegoogelt.
Der Cyberchonder
Menschen, die im Internet nach ihren Krankheiten suchen und dadurch auch krank werden, werden auch als Cyberchonder bezeichnet. Dies ist ein Kunstwort, ein Kofferwort das sich aus den Begriffen Cyber und Hyperchondrie zusammensetzt. Es beschreibt eben die Menschen, die sich in der Cyberwelt Informationen über ihre Beschwerden informieren und nach möglichen Krankheiten suchen. Cyberchonder werden krank, da sie die Informationen, die sie dort finden, nicht einschätzen können und sich einbilden können, an der entsprechenden Krankheit zu leiden. Die Angst vor Krankheiten wird insoweit gefördert, bis die Betroffenen tatsächlich kränker werden als sie es eigentlich sind. Auch ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Forschern der Firma Microsoft bestätigt das neue Phänomen.
Im Rahmen einer Langzeitstudie wurden die gesundheitsbezogenen Web-Suchanfragedaten von 515 Menschen analysiert. Dabei stellten sie fest, dass es einen Zusammenhang zwischen den recherchierten Krankheiten und einer Übertreibung der eigenen Krankheit der untersuchten Personen bestand (Hier gehts zur Studie)
Problematisch ist eben, dass man als medizinischer Laie die Masse an Informationen aus dem Internet einschätzen und bewerten muss, ohne das nötige Fachwissen zu haben oder sich weiteren Untersuchungen unterziehen zu können. Statt Informationen über die eigentliche Krankheit zu bekommen, findet man viel mehr Hinweise auf mögliche Erkrankungen, unter denen man im Normalfall gar nicht leidet. Für einen Hyperchonder ist das das sprichwörtliche „gefundene Fressen“, um sich in seine Symptome hinein zu steigern.
Das Internet kann niemals einen praktizierenden Arzt ersetzen. Auch wenn man viele wichtige und auch richtige Informationen findet, muss man sowohl zu Zustand wie auch die weiteren Symptome einschätzen können und möglicherweise andere Untersuchungen vornehmen. Daher ist der beste Weg zu einer eindeutigen Diagnose immer noch der Gang zum Arzt, statt sich durch das Internet selber therapieren zu wollen.