Doping-Serie – Teil 4: Doping nach dem Zweiten Weltkrieg istockphoto.com

Doping-Serie – Teil 4: Doping nach dem Zweiten Weltkrieg

  • Redaktion
Seit es Dopingverordnungen gibt, greifen Sportler auch zu verbotenen Mitteln. Doch nie waren die „Wundermittel des Sports“ effektiver, und nie wurden sie schneller wieder gewechselt, als im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts.

Jede Zeit hat ihre eigene Mode. Doch nicht nur die Fashiontrends ändern sich ständig. Auch dopende Sportler greifen immer zu neuen Mitteln. Um den Fahndern nicht ins Netz zu gehen, waren und sind sie stets darauf angewiesen, ihrem aktuellen „Wundermittel“ nicht zu lange zu vertrauen. Sobald ein neues, besseres Präparat auf den Markt kommt (das zudem noch nicht nachweisbar ist), wird gewechselt. Diese Zyklen haben sich in den letzten Jahrzehnten auch durch die Fortschritte im Anti-Doping-Kampf noch einmal deutlich verkürzt.

Was die die allgemeine Verwendbarkeit der Mittel angeht, gibt es freilich Unterschiede: Ausdauersportler können in den wenigsten Fällen etwas mit Präparaten anfangen, von denen beispielsweise Schnellkraftsportler profitieren. Nichtsdestotrotz werden im Folgenden kurz die wichtigsten Präparate vorgestellt.

Ausdauersport I: Von Stimulanzien und Cortikoiden


In den Ausdauersportarten, insbesondere im Radsport, wurden bis in die 1970er Jahre vorrangig Stimulanzien (z. B. Amphetamine) als Dopingmittel benutzt. Sie reduzieren die Müdigkeit und ermöglichen eine nahezu restlose Ausschöpfung der körperlichen Reserven. Da Stimulanzien allerdings nur wirken können, wenn sie kurz vor dem Wettkampf eingenommen werden, waren sie relativ häufig in den Urin-Kontrollen nachweisbar.

Abgelöst wurden sie von den Cortikoiden, die das gefühlte Belastungsempfinden verringern und die Regeneration beschleunigen. In Verbindung mit Amphetaminen und Anabolika konnte ihre Wirkung noch einmal verstärkt werden. Cortikoide sind erst seit wenigen Jahren im Urin nachweisbar und wurden entsprechend lange verwendet.


Der finnische Langstreckenläufer Lasse Viren (vierfacher Olympiasieger 1972 und ‘76) gilt als einer der ersten Sportler, die sich mit Hilfe von Eigenblutdoping den Weg in die Weltspitze geebnet haben. Hierbei wird ein Teil des Blutes eingefroren, um es dem Körper später wieder zuzuführen. Der Effekt ist vergleichbar mit den Auswirkungen von EPO-Doping, Höhentraining oder Unterdruckzelt: der Anteil der roten Blutkörperchen wird gesteigert, dadurch wird der Sauerstofftransport verbessert und man erhält eine um bis zu fünf Prozent gesteigerte Ausdauerleistung.

Spätestens ab den späten 1980er Jahren wurde das Eigenblutdoping dann durch das Erythropoetin (EPO) verdrängt, wobei das Eigenblutdoping in den letzten Jahren eine Art Renaissance erlebte. Zahlreiche Dopingsünder dieser Zeit verweisen im Rückblick darauf, dass sie der „Versuchung EPO“ einfach nicht widerstehen konnten. Schließlich konnte man sicher sein, dass es nicht nachzuweisen war.

In der Tat konnte der Konsum von EPO lange Zeit nur indirekt über die Messung des Hämatokritwertes (Anteil der roten Blutkörperchen am Volumen des Blutes) vermutet werden. Der Beweis des EPO-Dopings war damit aber trotzdem nicht erbracht. Die betroffenen Sportler bekamen allerdings nur eine Schutzsperre, da ein Hämatokritwert von mehr als 50 Prozent extrem gesundheitsgefährdend ist. Eine juristische Nische blieb, die Raum für Ausnahmeregelungen bot. Inzwischen ist es aber möglich, EPO und dessen Derivat CERA zweifelsfrei nachzuweisen (siehe etwa im Fall Bernhard Kohl).

Kleine Randnotiz: „Erwischt“ wurde in den 90ern nur, wem der Zufall einen Streich spielte. Wäre ein Betreuer des Festina-Rennstalls im Vorfeld der Tour de France 1998 nicht an der belgisch-französischen Grenze von der Polizei angehalten und kontrolliert worden, wäre die 98er Tour wohl kaum zu einem Skandal-Rennen geworden. So aber wurde nicht nur das komplette Festina-Team wegen EPO-Dopings verhört und anschließend vom Wettbewerb ausgeschlossen; nach zahlreichen Razzien während der drei Rennwochen zogen sich darüber hinaus weitere Mannschaften zurück bzw. wurden von den Organisatoren ausgeschlossen. Nur 97 der 198 gestarteten Fahrer erreichten Paris. Auf weitere Tour-Skandale der letzten Jahre einzugehen (etwa die Fuentes-Affäre), würde an dieser Stelle zu weit führen.


Schnellkraftsportarten: wundersames Muskel- und Leistungswachstum


Anders sieht die Dopinglandschaft in den Schnellkraftsportarten, wie etwa den Kurzstreckendisziplinen der Leichtathletik, aus. Dort waren die seit Mitte der 1970er-Jahre verbotenen anabolen Steroide zum Muskelaufbau noch lange danach weit verbreitet. Prominente Dopingfälle sind die der Top-Sprinter Ben Johnson (Kanada, 1988) und Katrin Krabbe (Deutschland, 1992).

Für den großen Knall in der Leichtathletik sorgte im Jahr 2003 die BALCO-Affäre, bei der zahlreiche amerikanische Spitzensportler (u. a. Marion Jones, Tim Montgomery) des Besitzes verbotener Substanzen überführt wurden. Das Pharmaunternehmen BALCO hatte sie über Jahre hinweg mit dem Designersteroid THG und Wachstumshormonen versorgt.

Gerade dieser Fall dient als Beleg dafür, dass Doping heutzutage kein Vergehen Einzelner mehr ist. Die im Hintergrund agierenden Netzwerke machen es den Dopingfahndern immer schwerer, dopenden Sportlern auf die Schliche zu kommen. Aus diesem Grund sprechen sich immer mehr Experten für eine Kooperation zwischen Staatsanwaltschaften und Dopingfahndern aus, darunter auch Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter der WADA-Antidopinglabors in Köln: „Man hat ja beim BALCO-Skandal 2003 und beim Fuentes-Skandal 2006 gesehen, dass systematisch im Hintergrund Gruppen mit dem Know-How arbeiten, wie man Doping begleitet und optimiert. Das kann man mit den Dopingkontrollen zwar kontrollieren, aber nicht verhindern oder langfristig sanktionieren. Dazu brauchen wir die Hilfe des Staates.“

Manche Weltrekorde halten schon über 20 Jahre

Nicht unter den Tisch fallen sollten die Doping-Praktiken in den Ostblock-Staaten während des Kalten Krieges. In der DDR beispielsweise wurde Doping im Spitzensport von staatlicher Seite angeordnet und überwacht. Siege des Sports wurden als Siege des Sozialismus „vermarktet“, wie man es heute wohl nennen würde.

Man sollte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass sicherlich auch die Talentsichtung und -förderung einen großen Anteil am Erfolg hatte. Ohne das Anabolikum Oral-Turinabol (ein künstliches männliches Sexualhormon), das den Athleten oft ohne deren Wissen verabreicht wurde, wären die beachtlichen Erfolge der DDR vor allem in den Kraftdisziplinen, im Sprint und beim Schwimmen allerdings kaum möglich gewesen. Zur Verdeutlichung: Der Weltrekord im 400-Meter-Lauf der Frauen steht seit Marita Kochs Bestzeit aus dem Jahre 1985 bei 47,60 Sekunden. Heutige Weltklasseathletinnen auf dieser Strecke unterbieten nur selten die 49-Sekunden-Marke…

Marco Heibel

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