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Weltmeister von Morgen – Die Jugendarbeit des DFB (1)
Der Aufwand, den der DFB betreibt, um talentierte Nachwuchs-Kicker in Deutschland zu entdecken und zu schulen, ist enorm. Im vergangenen Jahr mündete die erfolgreich reformierte Jugendarbeit mit dem WM-Triumph nun endlich auch wieder in einem großen, internationalen Titel. Jetzt hat die U 20-Weltmeisterschaft begonnen und Deutschland gehört erneut zum Favoritenkreis. Ulf Schott, Leiter der Direktion Jugend beim DFB, erklärt die Hintergründe der Talentförderung.
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Immer jünger - immer besser
Auf diesem Fundament steht auch der fußballerische Erfolg des vergangenen Jahres. Beim Titelgewinn in Brasilien hatte die Mannschaft ein Durchschnittsalter von 25,8 Jahren. Nur dreimal überhaupt trat der DFB mit einem jüngeren Team an (1934, 1966, 2010). Bei den drei bisherigen WM-Titeln 1954, 1974 und 1990 betrug das Durchschnittsalter jeweils 28,1, 27,3 und 27,7 Jahre. Mehr als ein Fingerzeig, wie sich die DFB-Nachwuchsarbeit der vergangenen Jahre bezahlt macht. Immer früher sind die Spieler heute immer besser ausgebildet. Ein weiterer Beleg gefällig? Auch die U 19-Nationalmannschaft holte 2014 einen Titel und wurde auch spielerisch verdient Europameister.
Im Jahr 2000 sah das noch ganz anders aus. Damals war die Nationalelf bei der EM in Holland und Belgien mit drei Niederlagen in der Gruppenphase sang und klanglos ausgeschieden. Doch der DFB reagierte und hat in den vergangenen gut 15 Jahren ein dichtes Netz geflochten, durch das ihm kein Talent mehr entwischen soll. „Dabei haben wir das Rad nicht neu erfunden“, sagt Schott. „Wir haben die vorhandenen, komplexen Strukturen von früher übernommen, sie jedoch erheblich professionalisiert.“ Der Ausgangspunkt für diese Umstrukturierungen war dabei jedoch nicht das klägliche Scheitern der Nationalelf bei der EM 2000. Das Umdenken setzte schon zuvor ein, mit der Bewerbung des DFB um die WM 2006 und dem frühen Ausscheiden bei der WM 1998 in Frankreich. „Da stellten wir uns erstmals die Frage, was wir investieren müssen, um in Zukunft wieder erfolgreicher zu sein“, so Schott.
Vier Stufen für den Erfolg
Die damalige Erkenntnis: Das viele Wissen, das es in Deutschland über Fußball gibt, sollte gebündelt werden. Wissensmanagement war das Stichwort. Das umfassende Fördersystem, das sich daraus entwickelte, basiert auf vier Stufen.„Die erste Stufe, das Talentförderprogramm der Landesverbände, greift flächendeckend, deutschlandweit“, so Schott. „Rund 1.300 Honorartrainer sind in den 366 DFB-Stützpunkten im gesamten Bundesgebiet aktiv. Diese Trainer schauen sich jedes Wochenende Vereinsspiele in ihrer Region an. Talentierte Spieler zwischen 11 und 14 Jahren werden dann zum Stützpunkt eingeladen.“ An den Stützpunkten findet einmal wöchentlich ein zusätzliches Training für die Talente statt. Hier sollen die jeweiligen Stärken der Kicker ausgebaut und ihre Schwächen zusehends ausgemerzt werden. Ganz im Vordergrund steht auf dieser Ebene der Talentförderung aber der Spaß am Fußball. Diesen sollen die Honorartrainer unbedingt aufrechterhalten.
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Sollte den „DFB-Spähern“ an den Stützpunkten doch einmal ein Talent entgehen, haben die Vereinstrainer jederzeit die Möglichkeit, die DFB-Trainer auf die gute Entwicklung eines ihrer Schützlinge hinzuweisen. „Das System funktioniert in beide Richtungen, so soll wirklich jeder Jugendliche in Deutschland die Chance haben, gesichtet und gefördert zu werden. Durch unsere Struktur erreichen wir von der Zentrale recht schnell alle dezentralen Bereiche und haben direkten Kontakt zu etwa 5.000 Klubs“, fasst Ulf Schott diese unterste Stufe der Jugendarbeit abschließend zusammen.
Zwei gesunde Beine – Fußball und Schule
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Für die Bundesligavereine sind diese neuen Regeln bereits vor der Europameisterschaft 2000 in Kraft getreten – ein Jahr später dann auch für die Zweitligisten. Heute gibt es 51 dieser Leistungszentren, ebenfalls flächendeckend in Deutschland. Der bis dato wichtigste Aspekt in den Augen des DFB hierbei ist, die schulischen und sportlichen Belastungen bestmöglich zu koordinieren. Schott, der selbst die A-Trainerlizenz besitzt, sagt über die Verantwortung des DFB in dieser Sache: „Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein haben wir Schritt für Schritt optimiert. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten haben wir einen Kriterien-Katalog für die Kooperations-Schulen aufgestellt. Wenn dessen 18 Kriterien erfüllt werden, dürfen sich die Schulen ´Eliteschule des Fußballs` nennen und profitieren von einer jährlichen Förderung von 30.000 Euro durch den DFB – beides ein schöner Ansporn für die Schulen. Dadurch können wir gewährleisten, dass wir ganzheitlich ausgebildete Nachwuchsspieler hervorbringen, die auch dann Alternativen haben, wenn es mit der Profi-Karriere nicht klappen sollte. Wer auf mehreren gesunden Beinen steht, seien es Schule, Sport, Familie, Freunde, hat auch mehr Selbstbewusstsein und kann Erfolg und Misserfolg besser einordnen.“
Kriterien für die Leistungszentren
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Sowohl in den DFB-Stützpunkten als auch in den Leistungszentren der Vereine arbeiten heute nur Trainer, die auch die Junioren-Lizenz besitzen. Diese werden gezielt auf die pädagogischen Notwendigkeiten hin geschult, die Kinder und Jugendliche in ihren Entwicklungsstufen bis hin zum jungen Erwachsenen erfordern. Wovon die Kinder dabei am meisten profitieren, erklärt der Leiter der Direktion Jugend beim DFB wie folgt: „Trotz allem was auf die talentierten Nachwuchsspieler zukommt, soll der Spaß am Fußball erhalten bleiben. Das vermitteln wir unseren Trainern. Dass wir heute im technischen und taktischen Bereich gegenüber anderen Fußballnationen aufgeholt und sogar gleichgezogen haben, verdanken wir vor allem der Mehrzahl an Trainingseinheiten, die unsere Jugendlichen heute absolvieren können. Der Trainings-Umfang hat sich auch durch die Leistungszentren im Vergleich zu vor den Reformen schlichtweg verdoppelt.“
Elite- und Spitzenförderung: Auswahlmannschaften und Junioren-Nationalteams
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Die zukünftigen Herausforderungen für den DFB
Trotz aller Erfolge der jüngsten Vergangenheit und den enormen Anstrengungen, die der DFB unternimmt, warten auch in Zukunft große Herausforderungen auf den weltgrößten Sportverband. Die Taktik ändert sich stetig, das Spiel wird immer schneller. Andere Nationalverbände werden auf die Entwicklungen in Deutschland reagieren, neue Konkurrenten neben ohnehin schon starken Fußballnationen wie Spanien heranwachsen. Es wird für die Strategen beim DFB darum gehen, die richtigen Schlüsse aus den internationalen Entwicklungen zu ziehen und diese bis in die einzelnen Stützpunkte zu tragen. Dafür laufen die Planungen für die DFB-Akademie bereits auf Hochtouren. Die neue Zentrale des DFB in Frankfurt am Main soll bis Ende 2018 fertiggestellt sein. Hier soll das fußballerische Wissen Deutschlands gebündelt und weiterentwickelt werden. Zusätzlich muss der DFB im Auge behalten, dass auch sehr junge Nachwuchsspieler immer häufiger den Verein wechseln und dadurch immer früher ihre Heimat und ihr Elternhaus verlassen. Hier wird es womöglich auch darum gehen, Regularien für Spielerberater zu schaffen, deren eigenes finanzielles Interesse größer erscheint, als das Wohl ihrer Schützlinge.Dass noch genug Arbeit auf den DFB wartet, weiß auch Ulf Schott, der früher in der 2. Bundeliga für Darmstadt 98 spielte: „Die zukünftigen Herausforderungen betreffen alle genannten Bereiche. Selbstverständlich wollen wir an der Spitze weiterhin Titel gewinnen, das ist ja klar. Aber wir möchten auch den generellen Spielbetrieb überall in Deutschland aufrechterhalten können. Das gestaltet sich aufgrund der demographischen Entwicklung und der abnehmenden Bevölkerungsdichte in manchen Regionen gar nicht so einfach. Und die mit Sicherheit größte Herausforderung für die Zukunft wird sein: Die positive Wirkung des Fußballs für die Integration hervorzukehren. Dass der Fußball und der Sport im Allgemeinen hochgradig integrativ wirken, ist bekannt und unbestritten. Es muss uns aber darum gehen, dies in der Öffentlichkeit noch deutlicher zu machen, um noch mehr Kinder von der Straße zu holen. Unsere Vereine vollbringen da eine hervorragende Leistung.“