
Road to Rio: Von Chile nach Uruguay
- Nils Borgstedt
Good-Bye Chile! Mitte Mai satteln wir ein letztes Mal die Pferde und queren nun die Anden, diese riesige langgezogene Gebirgskette, die uns bereits seit Kolumbien begleitet und uns so vertraut ist. In Chile besorgen wir noch einmal Angelequipment, denn das Terrain im "Valle del Maule", kurz vor dem Pass nach Argentinien, sieht vielversprechend aus.
Wir grillen wieder frisch gefangene Forellen auf der selbst ausgehobenen Feuerstelle, wie anfangs, als wir noch durch die USA gestreift sind. Allerdings merkt man den Herbst mittlerweile deutlich: Die Temperaturen schaffen es kaum noch über 15 Grad, nachts wird es ziemlich frisch.
Die Passstraße ist wunderschön und schlängelt sich hinauf auf über 2500 Meter. Nachdem wir die Ausreise aus Chile hinter uns haben, mit den Grenzern wieder einmal gegenseitig Glückwünsche für das Turnier ausgetauscht haben, campen wir auf dem Pass. Es wird ein Negativrekord der Reise, was die Temperatur betrifft. Ohne Feuerholz wäre das wahrscheinlich keine gute Idee gewesen, zumal uns nachts böiger Wind fast unsere Zeltplane wegreißt.
Buenos Dias Argentina
Morgens ein letzter Angelausflug und den Pass hinab nach Argentinien. Dann der Schockmoment bei der Einreise: Der argentinische Grenzer will irgendwelche Zettel sehen, die uns die Chilenen allerdings abgenommen haben. „No es possible de entrar sin los papeles“, wiederholt er stur. Das Problem: Wir haben mit unserem Sprit knapp kalkuliert und würden es gerade so indie nächste argentinische Stadt schaffen. Zurück über den Pass, um dann wieder nach Argentinien zu fahren, ist nicht drin.
Längere Diskussionen mit seinen Vorgesetzten folgen, am Ende geht es dann doch irgendwie, und wieder schnacken wir ausgelassen über die WM. Wie immer. Allein als das WM-Turnier 2010 zur Sprache kommt, vor allem ein gewisses Viertelfinale zwischen Deutschland und Argentinien, droht die Stimmung zu kippen - die Argentinier scheinen daran immer noch zu knabbern (4:0 für Deutschland, Anm. d. Red.). Aber wer soll es ihnen verdenken.
Wir sind in Argentinien und die Klischees schlagen bereits nach wenigen Kilometern zu: Gauchos mit Herden auf der Straße, und am Horizont können wir bereits die endlose Pampa erkennen. Die legendäre Ruta 40 führt uns Richtung Norden und wir finden Unterkunft in einem kleinen, bäuerlichen Hostel am Ende einer Schotterpiste. Nach vier Tagen wildem Campen wird endlich mal wieder geduscht, eine Rasur ist auch dringend fällig. Und mit Udo Juergens singen wir "Buenos Dias, Argentina, er war weit, mein Weg zu Diiir"! Wie wahr...
Uruguay – Sami fliegt heim
In Uruguay erwartet uns ein kurzes Gastspiel, denn eigentlich wollen wir in Montevideo nur unser Auto, unseren geliebten Sami, gen Heimat senden. In den letzten 13 Monaten hat er sich für uns über endlose Pisten gequält, durch Schlamm und Dreck gewühlt, so wie Sami Khedira, der harte Monate in der Reha durchstehen musste. Beide haben gerackert und alles gegeben. Und nun, abgekämpft, mit unzähligen Kratzern und Narben versehen, hat unser Sami uns am Ende sicher zum Hafen Montevideos gebracht, vor die Tore Brasiliens.
Wie es der Zufall manchmal will, hat genau am gleichen Tag, an dem Sami Khedira im Mannschaftsquartier der deutschen Nationalmannschaft eintraf, unser Sami die Heimreise gen Deutschland angetreten. Es ist ein klassischer Spielertausch. Dabei verlief der Zustand von Spieler und Auto genau reziprok: Sami Khedira ist ein ganz normaler Junge, der ebenfalls in Stuttgart aufgewachsen ist. Ein Arbeiter, ein Kämpfer, der lange Wege geht, das Spiel leitet, prägt, Sicherheit ausstrahlt und dem Team allein durch seine Präsenz Halt gibt - ein klassischer Leader. Nach einem langen und entbehrungsreichen Weg hat er sich mit Willenskraft zurück in den WM-Kader gebissen. Er ist am Ende unserer Reise auf den Punkt fit geworden, wie unser Auto kurz vor dem Anpfiff unseres Abenteuers im letzten Mai in bester Verfassung war. Der eine, ausgepumpt und träge, auf dem Zahnfleisch gehend, hat sich Applaus und Ehre verdient. Der andere ist frisch erholt, topfit und voller Willenskraft, um zum Herzstück des WM-Abenteuers zu werden!
Ab jetzt reisen wir mit Bussen und Flugzeugen im Gastgeberland weiter, um die deutschen WM-Spiele im Stadion zu verfolgen. Das Ziel ist weiterhin klar: der Finalsieg unserer Jungs am 13. Juli in Rio de Janeiro.
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