Bei aller Freude... picture alliance

Bei aller Freude...

  • Derk Hoberg
…über den deutschen Doppelsieg im Rennrodeln - der Tod des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili gerät nicht in Vergessenheit. Sah man die jubelnden Sieger, beherrschte das Tagesgeschäft schon wieder das Geschehen. Und das zwei Tage nach dem tödlichen Unfall. Ein Kommentar von Derk Hoberg.

The Show must go on, Business as usual, Time is money. Diese Aneinanderreihung englischer Redewendungen bringt es wohl treffend auf den Punkt, was dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und den Veranstaltern vor Ort am wichtigsten ist: Das Geschäft muss weitergehen. Englisch ist die Sprache der weltweiten Wirtschaftsgeschäfte. Nichts anderes scheint Olympia heute zu sein. Die weltweite Vermarktung, Namensrechte, Fernsehbilder. Alles liegt in der Hand des IOC.


Egal, ob ein Fahrfehler des Georgiers vorlag oder ob die Bahn zu gefährlich ist. Dieser Unfall hätte nicht passieren dürfen. Gehen wir von einer Fehlkonstruktion der Eisbahn im Sliding Center in Whistler aus, besteht aber auch Anlass zur Frage inwieweit dieses Risiko, im Wettbewerb um die schnellste Bob- und Rodelbahn der Welt, einkalkuliert war. Spitzengeschwindigkeiten von über 150 Stundenkilometern werden auf dieser Bahn erreicht. Ist das für einen Menschen auf einem Schlitten – der im Übrigen auf Teufel komm raus dazu getrimmt ist, die Spitzengeschwindigkeit zu erreichen – überhaupt noch zu kontrollieren?

Komplett überflüssig

Im Falle des jungen Georgiers war das nicht mehr möglich. Die Anzeichen für die Gefährlichkeit der Bahn, wurden schlichtweg ignoriert. Der deutsche Starter Andi Langenhahn war bereits am Donnerstag gestürzt, Routinier Armin Zöggeler stürzte im abschließenden Trainingslauf unmittelbar vor dem Georgier, blieb aber unverletzt. Das Training ging planmäßig weiter.


Da passt es gleichermaßen ins Bild, dass der erste Wettbewerb im Herren-Einsitzer termingerecht durchgeführt wurde. Einige Umbauten an der Bahn (warum geschah das nicht vorher schon?) und los ging es. Der Start der Herren wurde auf den Frauenstart nach unten verlegt und eine Schutzvorrichtung an der Unfallstelle errichtet. Geringer Einsatz, größtmöglicher Gewinn. Die – ohne Zweifel spannenden und aufregenden – Bilder sollten wie geplant auf den Mattscheiben der Weltbevölkerung zu sehen sein. Über diese flimmerten zwei Tage zuvor die schockierenden Bilder des tödlichen Unfalls Nodar Kumaritaschwilis. Komplett überflüssig, da hier der Tod eines Menschen gezeigt wurde.


Das Motto „Höher, schneller, weiter“ wird bei der Jagd nach neuen Superlativen bis über die Grenzen des machbaren ausgereizt. Wieder musste zunächst eine Tragödie passieren, damit ein Umdenken der Organisatoren erfolgt. Dass zahlreiche Fachleute zuvor auf die Gefahren dieses Eiskanals hingewiesen haben, hatte vorher scheinbar keinen der Verantwortlichen interessiert.


Lassen wir sonstige Ungereimtheiten in der Organisationsstruktur des IOC einmal außen vor, schildert diese Katastrophe doch eindeutig, worum es den Olympiaherren geht. Der romantische Traum vom „Dabei sein ist alles“ war schon vor der Eröffnung der 21. Winterspiele in Vancouver ausgeträumt. Aus diesem vom IOC instandgehaltenen Luftschloss sollten die Sportler schleunigst ausziehen und ihren Teil dazu beitragen, damit die Zukunft für sie sicherer wird. Der Unterstützung ihrer Fans können sie dabei Gewiss sein!

Es liegt in der Natur der Sache

Die allem übergeordnete Jagd nach immer neuen Rekorden muss also ein Ende finden. Das sollten Athleten, Geldgeber und Organisatoren einsehen. Hier kommt auch das allgegenwärtige Thema Doping ins Spiel. Athleten spielen dabei mit ihrer Gesundheit, betrügen und verstoßen gegen Gesetze, um an die Honigtöpfe der Sponsoren zu kommen. Dabei sollten die modernen Gladiatoren nicht mehr mit ihrer Gesundheit oder gar ihrem Leben bezahlen.


Sportliche Wettbewerbe sind auch ohne ständig neue Bestmarken spektakulär. Das liegt in der Natur der Sache: Der Wetteifer von Sportlern oder Nationen um Medaillen wird immer spannend sein, da es sich hierbei um Momentaufnahmen handelt und es um die aktuell besten Sportler der Welt geht. Diese Eindrücke bleiben haften -nicht dagegen, wer die schnellste Geschwindigkeit im Eiskanal hatte…

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