
Charles Barkley - Die ewige Jagd nach dem Ring
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Schlechte Voraussetzungen
20. Februar 1963. In der Kleinstadt Leeds, die am östlichen Zipfel Alabamas liegt, erblickte an diesem Tag Charles Wade Barkley das Licht der Welt. Dass aus dem 2,24 Kilogramm kleinen Leichtgewicht eines Tages einer der besten Power Forwards der amerikanischen Basketballgeschichte werden sollte, ahnte zu dieser Zeit noch niemand.
Bereits die ersten Jahre seines Lebens waren für den kleinen „Chuck“ kein Zuckerschlecken. Nach nur sechs Wochen auf dieser Welt diagnostizierte man bei ihm eine Blutarmut. Nur eine Bluttransfusion konnte ihn retten. Noch während seiner Babyjahre trennten sich seine Eltern voneinander und Charles wuchs bei seiner Mutter, seiner Großmutter und seinem Stiefvater auf, der jedoch noch während seiner Grundschulzeit bei einem Autounfall verstarb. Schon während seiner Kindheit fasste Barkley den Plan, Basketballprofi zu werden. Wie bei vielen Kindern der amerikanischen Unterschicht schien dies für ihn der einzige Ausweg zu sein, den finanziellen Schwierigkeiten, die seine Familie zu dieser Zeit plagten, zu entkommen.
In seinen High School-Jahren an der örtlichen Leeds High School deutete zunächst wenig auf seine spätere Karriere hin, im Gegenteil, mit knapp 1,78 Meter Körpergröße und 99,8 Kilogramm Körpergewicht war der junge Charles zu klein und zu dick, um nur ernsthaft an eine Karriere als professioneller Basketballspieler zu denken. Diese körperlichen Defizite waren es letztendlich auch, die ihm erst einmal einen Strich durch die Rechnung machten. Bei der Zusammenstellung des Schulteams schaffte Barkley den Sprung in die erste Mannschaft zunächst nicht und musste sich mit einer Rolle als Reservist zufrieden geben. Dies spornte ihn jedoch umso mehr an und er trainierte täglich bis spät in die Nacht und härter als je zuvor. Sein starker Willen, irgendwann in der NBA zu spielen und das Versprechen an seine Mutter, ihr eines Tages alles zu kaufen, was sie sich wünschte, ließen ihn von Tag zu Tag besser werden.
Doch hartes Training und viel Talent allein konnten „Chuck“ seiner Zeit nicht weiterbringen. So verdankte er den ersten großen Schritt seiner Karriere schließlich einem Wachstumsschub, der ihn auf 1,93 Meter schießen ließ und ihm endlich eine Position in der „Starting Five“ des Schulteams einbrachte.
Mit durchschnittlich 19,1 Punkten, 17,9 Rebounds und einer 26-3-Serie führte Barkley 1981 während seines Senior-Jahres das Team der Leeds High School ins Halbfinale der Staatsmeisterschaft. Dort traf das Team auf die favorisierte Butler High School aus Huntsville und ihren Star-Spieler Bobby Lee Hurt. Angespornt von der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich das Snead Junior College Interesse an ihm bekundet hatte und ein Stipendium an einer der großen Universitäten nicht einmal annäherungsweise in Aussicht stand, nutzte Charles Barkley die Gunst der Stunde und setzte mit 26 Punkten bei den anwesenden Scouts eine Duftmarke.
Sonny Smith, Assistant Coach der Auburn Universität, beschrieb den Auftritt des jungen Power Forwards an diesem Tag mit den Worten: „ein fetter Junge…der spielen konnte wie der Wind“. Kurz darauf war es besagter Sonny Smith, der Barkley ein Stipendium an der Auburn Universität verschaffte. Barkley, der als Hauptfach Betriebswirtschaft studierte, avancierte durch seine außergewöhnliche Spielweise schnell zum Liebling der Fans, die ihm nach kurzer Zeit aufgrund seiner Körpermaße und seiner herausragenden Rebound-Stärke den Spitznamen „The Round Mound of Rebound“ verpassten. Obwohl Barkley zweitweise 136 Kilogramm auf die Wage brachte und auf der Position des Centers auflief, deutete sich schon früh an, dass er neben seiner Rebound-Stärke auch noch über ein äußerst gutes Ballhandling sowie ein solides Dribbling verfügte. Nicht selten kam es vor, dass er nach einem Rebound am eigenen Brett mit dem orangenen Leder nach vorne stürmte und es mit einem krachenden Dunking durch das gegnerische Netz schickte.
Während seiner Zeit am College führte Barkley drei Jahre lang die Liste der besten Rebounder der Southeastern Conference an und wurde 1984 schließlich zum Spieler des Jahres gewählt, obwohl seine Auburn Tigers im entscheidenden Meisterschaftsspiel Kentucky mit 51:49 unterlagen. Am Ende seiner College-Zeit konnte Charles Barkley auf durchschnittlich 14,8 Punkte sowie 9,6 Rebounds, 1,6 Assists und 1,7 Blocks pro Spiel zurückblicken. Herausragend dabei war auch seine Trefferquote aus dem Feld von 62,6 Prozent und bis zum heutigen Tag als Rekordwert dieser Kategorie in Auburn Bestand hat.
Bei seinem einzigen Auftritt im NCAA Tournament unterlagen seine Auburn Tigers in der ersten Runde den Richmond Spiders mit 72:71. Für „Sir Charles“ der mit 23 Punkten, 17 Rebounds und einer Trefferquote von 80 Prozent aus dem Feld bester Spieler war, endete an diesem Tag seine Zeit als Spieler am College.
Kurz darauf wurde Barkley von Bobby Knight, dem Coach des amerikanischen Nationalteams, in das Auswahlteam für die Olympischen Spiele in Los Angeles berufen. Dort schaffte er es zwar in die engere Auswahl, als jedoch von den letzten zwanzig Spielern sechzehn für das endgültige Team nominiert wurden, hatte er das Nachsehen und musste seinen Traum von einer Olympia-Teilnahme zunächst auf Eis legen.
Obwohl er noch ein weiteres Jahr am College hätte spielen können, meldete er sich für den NBA Draft 1984, dem bis heute wohl besten aller Zeiten an. Hinter Hakeem Olajuwon (Houston Rockets), Sam Bowie (Portland Trail Blazers), Michael Jordan (Chicago Bulls) und Sam Perkins (Dallas Mavericks) wurde der Power Forward der Auburn Tigers als fünfter Spieler von den Philadelphia 76ers ausgewählt. Auf Platz 16 folgte mit John Stockton ein weiterer Ausnahmespieler, der ebenso wie Jordan und Barkley dem „Dream Team“ des Jahres 1992 angehören sollte.
Bei seinem neuen Team in der Stadt der brüderlichen Liebe angekommen, war Barkley zunächst nicht unumstritten. Schon bei der Pressekonferenz der 76ers wurde er aufgrund seines Gewichtsproblems Opfer eines bösen Scherzes von General Manager Pat Williams. Der sagte über seinen Rookie: „Er ist so fett, dass seine Badewanne schon Dehnungsstreifen hat.“
In einem Interview mit der Los Angeles Times äußerte sich Williams einige Zeit später jedoch ernsthaft zu der Frage „Warum gerade Barkley?“. Williams: „Wir hatten Bedenken wegen seines Gewichts und seiner Arbeitseinstellung. Er hatte den Ruf, schwer zu coachen zu sein. Er hätte es ins Olympische Team schaffen können, aber er kam mit Knight nicht klar. Es gab Leute, die sagten, er würde sich aus der Liga hinaus fressen. Aber wir fingen beim Entscheidenden an. Wir stellten uns eine Frage: „Kann der Typ spielen?“ Die einstimmige Antwort lautete: ja. Gut, damit konnten wir anfangen. Um den Rest konnten wir uns später kümmern.“
In seiner neuen Heimat landete Barkley schnell unter den Fittichen von Moses Malone, der dem Erstrunden-Pick aus Alabama sowohl bei seinen Gewichtsproblemen als auch bei der Integration in die Mannschaft und der Vorbereitung auf die Saison behilflich war.
Die Ausgangslage für Charles Barkley hätte nicht besser sein können. Mit Moses Malone, Julius Erving und Maurice Checks hatte er drei erfahrene Spieler an seiner Seite, die 1983 die Meisterschaft nach Philadelphia geholt hatten. Während seiner ersten Saison kam er auf durchschnittlich 14 Punkte und 8,6 Rebounds und erarbeite sich innerhalb weniger Monate den Ruf eines Tunichtguts, der sowohl seinen Coach Billy Cunningham, mit dem er ständig auf Kriegsfuß stand, als auch seinen Mitspieler mit seinem Possen und Eskapaden auf dem Platz den letzten Nerv raubte. Als „Hansdampf in allen Gassen“ machte er selbst vor dem Publikum nicht halt und äußerte sich in einem Interview mit der Philadelphia Daily News mit den Worten: „Ich muss nicht das Publikum begeistern, um zu gewinnen. Ich muss meinen Job machen.“
In seiner Rookie Saison erreichte das Team der 76ers das Finale der Eastern Conference, musste sich aber dort in fünf Spielen den Boston Celtics, die mit Larry Bird, Kevin McHale, Robert Parish und Danny Ainge antraten, geschlagen geben.
In seinem zweiten Jahr in der besten Liga der Welt erkämpfte sich „Sir Charles“, wie er wegen seines rüpelhaften Auftretens von den Fans genannt wurde, schnell seinen Platz als Starter auf der Position des Power Forwards. Trotz seiner nach wie vor mangelnden Größe und den immer noch vorhandenen, leichten Rundungen am Bauch avancierte Barkley dank seiner Aggressivität schnell zum besten Rebounder des Teams und mit durchschnittlich 20 Punkten auch zum zweitbesten Scorer. Wie im Jahr zuvor zog Philadelphia erneut in die Runde der letzten Sechzehn ein. Dort legte Barkley nochmals eine Schippe drauf und verbesserte seine statistischen Werte auf durchschnittlich 25 Punkte und 15,8 Rebounds. Trotz dieser herausragenden Leistung musste sich sein Team bereits im Halbfinale der Eastern Conference den Milwaukee Bucks nach sieben Spielen geschlagen geben.
In der darauffolgenden Saison sollte Barkley endgültig zum Führungsspieler in Philadelphia werden, was nicht zuletzt auch am Wechsel von Moses Malone zu den Washington Bullets lag. 23 Punkte und 14,6 Rebounds pro Spiel sicherten Barkley nicht nur seinen ersten Auftritt beim NBA All-Star Game, sondern auch den (inoffiziellen) Titel des besten Rebounders. Zum zweiten Mal in Folge wurde er zudem ins All-NBA Second Team berufen. Obwohl Barkley in dieser Saison auf einer Woge des Erfolges schwamm, endete die Saison für sein Team ähnlich enttäuschend wie im Jahr zuvor. Wieder einmal hieß der Stolperstein „Milwaukee Bucks“, die bereits in der ersten Runde das Team aus Philadelphia verfrüht in die Sommerpause schickten.
Im Folgejahr gab Julius Erving sein Karriereende bekannt. Die Rolle des Franchise Players ging somit endgültig an Charles Barkley über. Obwohl er seine statistischen Werte erneut steigern konnte, zum zweiten Mal am NBA All-Star Game teilnehmen durfte und zum ersten Mal ins NBA All-First Team berufen wurde, blieb der Erfolg seiner Mannschaft auf der Strecke. Zum ersten Mal seit der Saison 1974/75 endete die Saison der 76ers bereits vor den Playoffs.
Auch die kommenden Jahre verliefen für Sir Charles mit durchwachsenem Erfolg. Während ihm selbst immer neue Auszeichnungen, Titel und Ehren zuteil wurden und er weiterhin seine Leistungen von Jahr zu Jahr steigerte, wollte sich der Erfolg seines Teams einfach nicht einstellen.
Im März 1991 sorgte Barkley für einen nationalen Skandal, der ihn beinahe sämtliche Sympathien der Fans kosten sollte. Während eines Spiels in New Jersey ließ er sich durch einen Zwischenrufer am Spielfeldrand, der ihn mit rassistischen Kommentaren bedachte, derart provozieren, dass er sich während der Nachspielzeit umdrehte und auf den Übeltäter spuckte. Nach eigenen Angaben Barkleys lag es am „mangelnden Schaum im Mund“, dass er sein gewünschtes Ziel knapp verfehlte und stattdessen ein kleines Mädchen traf, welches mit seinen Eltern in der Nähe saß. Der Zwischenfall zog eine längere Sperre und eine 10.000 Dollar hohe Geldstrafe nach sich. Barkley entschuldigte sich bei dem Mädchen und lud es mit samt seiner Familie zu den zukünftigen Partien seines Teams ein. Bis heute bezeichnet Barkley diesen Vorfall als einen der schwärzesten Momente seiner Karriere, den er zutiefst bereut.
Vor allem der ausbleibende Teamerfolg führte schließlich in der Saison 1991/92 dazu, dass Barkley immer mehr mit dem Gedanken spielte, in einem anderen Team die Jagd nach dem lang ersehnten Meisterschaftsring fortzusetzen. Während seine Leistungen auf dem Feld in diesem Jahr eher rückläufig waren, sorgte er durch seine Eskapaden trotzdem für zahlreichen Gesprächsstoff.
Obwohl die 76ers das Trikot mit der Nummer 32 zu Ehren Billy Cunninghams aus dem Verkehr gezogen hatten, änderte Barkley seine Rückennummer in dieser Saison als Sympathiebekundung für Magic Johnson (Foto), der anfangs des Jahres seine HIV-Erkrankung bekannt gegeben hatte. Auf die Frage eines Reporters, ob Barkley keine Angst habe, sich durch den Kontakt mit Magic Johnson auf dem Spielfeld mit HIV zu infizieren, antwortete er in seiner gewohnt provokanten Art : „Wir spielen nur Basketball. Es ist ja nicht so, dass wir da raus gehen würden, um ungeschützten Sex mit Magic zu haben.“
Am 17. Juli 1992 endete schließlich seine Liaison mit den Philadelphia 76ers. Barkley, der kurz zuvor einen Wechsel gefordert hatte, wurde für Jeff Hornacek, Tim Perry and Andrew Lang zu den Phoenix Suns verschifft.
Noch bevor er seinen Dienst in Phoenix antreten konnte, ging es für Barkley zunächst einmal mit der US-Nationalmannschaft nach Europa. Nachdem sein erster Anlauf 1984 gescheitert war, hatte er es dank seiner herausragenden Leistungen der vergangenen Jahre geschafft, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Als Mitglied des legendären Dream Teams, welches bereits die Qualifikationsrunde mit sechs überragenden Siegen hinter sich gebracht hatte, führte ihn die Reise ins spanische Barcelona.
Dort waren die US Boys von Anfang an klarer Favorit und wurden ihrer Rolle mehr als gerecht. Mit einer Bilanz von 8-0-Siegen fegten sie unter anderem dank Barkley, der mit einer Trefferquote von 71,1 Prozent und durchschnittlich 18 Punkten das Team anführte, jeden Gegner förmlich aus der Halle. Am Ende gab es für diese Leistung die wohl verdiente Goldmedallie. Doch Barkley wäre nicht Barkley, hätte er nicht auch die internationale Bühne für die Inszenierung einer seiner Skandale genutzt.
Beim 116:48-Erfolg seines Teams über die chancenlosen Angolaner verpasste er beim Stand von 46:0 dem schmächtigsten seiner Gegner, Herlander Coimbra, einen Ellbogencheck gegen die Brust. Die Reaktion seiner Mitspieler zeigte ihm jedoch schnell, dass er dieses Mal weit über das Ziel hinausgeschossen war. Noch während er sich mit dem aufgebrachten Publikum anlegte, stimmten einige seiner Mitspieler in die Buh-Rufe der Zuschauer mit ein und brachten so ihren Unmut über das Verhalten ihres Kollegen zum Ausdruck. Barkley entschuldigte sich zwar noch auf dem Weg in die Umkleideräume bei seinem Opfer und posierte mit ihm für ein gemeinsames Foto, doch er wurde für sein unsportliches Verhalten direkt nach dem Spiel vor das amerikanische Olympische Komitee zitiert, welches ihm bei weiteren Verfehlungen mit einem Ausschluß von den Spielen drohte. In gewohnter Manier bezeichnete Sir Charles am nächsten Tag den Zwischenfall als eine Art religiöse Erfahrung und kommentierte ihn mit den Worten: „Auge um Auge, das ist so eine Ghettosache“. Damit war für ihn die Geschichte erledigt und die Olympischen Spiele gingen ohne weitere Eskapaden zu Ende. Mit einer Portion Lebenserfahrung und einer Goldmedallie im Gepäck ging es dann im Spätsommer in seine neue Heimat Phoenix.
Bereits im ersten Jahr in Arizona zeigte sich, dass der Wechsel sowohl für Barkley als auch für seinen neuen Arbeitgeber eine „Win-Win“ Situation war. Fragt man heutzutage Journalisten und eingefleischte Fans, welche Saison in Phoenix die bewegendste war, so kann man sich sicher sein, dass das Spieljahr 1992/1993 an vorderster Stelle stehen wird. Mit einer 62-20-Serie zogen die Suns als heißer Titelanwärter in die Playoffs ein und Charles Barkley wurde zum wertvollsten Spieler der Saison gekürt.
Geblendet vom Erfolg und all dem Hype um das Team und seinen frisch gebackenen MVP verschliefen die Suns den Start in die Playoffs und mussten schon zu Beginn einen 0-2-Rückstand gegen die Los Angeles Lakers, angeführt von James Worthy und Byron Scott, verkraften. Mit einem Kraftakt stemmte sich Phoenix gegen das Erstrundenaus und wurden das erste Team der NBA-Geschichte, welches aus einem 0-2-Rückstand auf die Siegerstraße zurückkehrte.
In der nächsten Runde wartete mit den San Antonio Spurs und ihrem Center David „The Admiral“ Robinson ein deutlich schwererer Gegner. Doch im Gegensatz zur ersten Runde konnten die Suns dieses Mal überzeugen und mit einer 3-2-Führung ging es in Richtung San Antonio. Es sollte der Abend des Charles Barkley werden. Mit nur 1,8 Sekunden auf der Uhr verwandelte Barkley aus knapp sechs Metern Entfernung seinen Wurf über David Robinson zum 102:100-Endstand.
In den Western Conference Finals angekommen, trafen die Suns auf die Seattle Supersonics mit ihrem „dynamischen Duo“ Gary Payton und Shawn Kemp. In einer kraftraubenden Serie, bei der kein Team sich absetzen konnte, dauerte es bis zum siebten Spiel, bis der Sieger feststand. Wieder einmal was es Charles Barkley, der im entscheidenden Moment das Heft in die Hand nahm und den Gegner zu Boden zwang. Mit 44 Punkten und 24 Rebounds hob Sir Charles beim 123:110-Erfolg sein Team in die Finalrunde.
Dort warteten bereits die Chicago Bulls mit ihrem Superstar Michael Jordan auf das Team aus Arizona. Doch die Serie gegen Seattle hatte Kraft gekostet und die Suns verloren ihre ersten beiden Spiele zuhause. Von den folgenden drei Partien in Chicago konnte das Team zwei für sich entscheiden. So ging es mit einem 2-3-Rückstand zurück in die American West Arena. Jordan oder Barkley - welcher der beiden Ausnahmeathleten würde das Spiel entscheiden? Die Spannung war groß, 3,9 Sekunden vor Schluß führte das Team aus Arizona mit zwei Punkten 98:96. Dann kam das, was bis heute in Phoenix nur als „The shot“ bezeichnet wird und einen der wohl schwärzesten Momente in der Geschichte der Suns und auch von Charles Barkley darstellt.
Nicht Michael Jordan, sondern Bulls-Guard John Paxson versenkte den entscheidenden Dreier, der den Bulls die Meisterschaft bescherte und Barkleys Titelträume erneut zunichte machte.
Im darauffolgenden Jahr forderte Barkleys aggressive Spielweise langsam ihren Tribut und sein Körper zeigte erste Verschleißerscheinungen. Geplagt von ständigen Rückenschmerzen und anderen gesundheitlichen Problemen dachte Barkley zum ersten Mal öffentlich über einen Rücktritt nach. Die Suns erreichten trotz der Probleme ihres Stars die Playoffs und Barkley konnte in der ersten Runde mit 56 Punkten gegen die Golden State Warriors einen neuen Playoff-Rekord für sich verbuchen. In der nächsten Runde wartete jedoch der spätere Meister, die Houston Rockets. Trotz einer 2-0-Führung mussten sich die Suns, auch wegen Barkleys Rückenleiden, am Ende den Raketen geschlagen geben.
Nach zwei weiteren mehr oder weniger erfolgreichen Jahren in der Sonne Arizonas endete 1996 die Zeit Barkleys bei den Suns. Er wechselte zu den Houston Rockets, die im Gegenzug Sam Cassell, Robert Horry, Mark Bryant und Chucky Brown nach Phoenix schickten.
Ähnlich wie bei seinem Wechsel nach Phoenix ging es für Barkley erst einmal zu den Olympischen Spielen. Diese fanden 1996 im eigenen Land in Atlanta statt und als Titelverteidiger wurde von dem US-Team nicht weniger als die Goldmedallie erwartet. Ähnlich wie bei der letzten Teilnahme stürmte das Team USA mit 8-0-Siegen durch den Wettbewerb. Erneut war es Charles Barkley, der die Mannschaft sowohl in Punkten als auch in Rebounds anführte und am Ende das zweite olympische Edelmetall seiner Karriere einheimsen konnte.
Der Sommer war für ihn kurz, denn schließlich wartete sein neues Team auf ihn, mit dem sich Barkley erneut Chancen auf den NBA-Titel erhoffen konnte. In Houston angekommen traf er auf zwei weitere der besten 50 NBA Spieler aller Zeiten: Hakeem Olajuwon (Foto) und Clyde Drexler.
Doch wie auch die letzten Jahre in Phoenix musste er sich mit zahlreichen Verletzungen herumschlagen, die seinen Einsatz auf 53 Spiele limitierten. In seinem Streben von seinem Körper nach und nach beschränkt, sanken seine statistischen Werte stetig weiter. Auch in Houston blieb Barkley der lang ersehnte Titel verwehrt.
Am 8. Dezember 1999 beendete ein Riss der Quadrizepssehne seine großartige Karriere. Vier Monate nach seiner Verletzung kehrte er ein letztes Mal auf das Parkett zurück. Im Spiel gegen die Vancouver Grizzlies erzielte Barkley mit einem Putback Dunk (seinem Markenzeichen) die letzten Punkte seiner Profikarriere und wurde direkt danach unter stehenden Ovationen des Publikums ausgewechselt. Barkley gehört bis heute unumstritten zu den besten Basketballspielern aller Zeiten. Zusammen mit Wilt Chamberlain ist er der einzige Spieler, der mehr als 23.000 Punkte, 12.000 Rebounds und über 4.000 Assists erreicht hat.
Während seine aktive Karriere in der Saison 1999/2000 endete, ging es für Barkley noch im selben Jahr abseits des Courts weiter. Als Analyst im Studio des Fernsehsenders TNT macht Sir Charles weiterhin das, was er in seiner Karriere stets am besten konnte: Er kommentiert und kritisiert. Zusammen mit seinen Partnern Kenny Smith und Ernie Johnson Junior berichtet Barkley während der Saison fast täglich in Inside the NBA über die letzten Spiele sowie aktuelle Ereignisse aus dem größten Basketballzirkus der Welt.
Doch Barkley wäre nicht Barkley würde er nicht selbst weiter für Gesprächstoff sorgen. Während manche Menschen im Alter ruhiger und weiser werden, gibt Chuck selbst mit 46 Jahren weiter Vollgas in seinem Leben. Glaubt man seinen eigenen Äußerungen, so hat er bis zum heutigen Tage bereits zehn Millionen US-Dollar in diverse Glücksspielaktivitäten investiert. Während manche den Verlust von 2,5 Millionen Dollar beim Blackjack (innerhalb von sechs Stunden) als ernsthaftes Problem ansehen, pocht Barkley stets darauf, dass es sich bei ihm eher um eine schlechte Angewohnheit und nicht um eine Sucht handelt.
Selbst neun Jahre nach Ende seiner Karriere ist Charles Barkley bis zum heutigen Tage ein gefragter Werbestar. Zusammen mit Dwyane Wade (Foto) und anderen Stars ist er Mittelpunkt der „Fav 5“-Kampagne von T-Mobile, die sich laut Umfragen unter Sportfans zu einer der beliebtesten Kampagnen im TV entwickelt hat.
Anfang 2009 verschwand Charles Barkley jedoch für kurze Zeit aus den Werbeblöcken und auch sein Stuhl im Studio blieb leer. Was war passiert?
Mit 1,49 Promille überfuhr er in der Nacht vom 31. Dezember 2008 ein Stoppschild in Scottsdale, Arizona und wurde daraufhin von der Polizei unter dem Verdacht der Trunkenheit am Steuer in Untersuchungshaft genommen. Hätte dies allein nicht schon für genug Aufsehen gesorgt, so gab er im Polizeibericht zu Protokoll, dass der Grund seiner Eile die Frau auf dem Beifahrersitz gewesen sei. Sie hätte ihn mit dem Versprechen oraler Gefälligkeiten zur Eile getrieben, deshalb sei er unachtsam in Richtung Hotel geeilt.
Die Folgen für das Vergehen und "too much information": drei Tage Haft, 2.000 Dollar Geldstrafe und zwei Monate Abwesenheit bei TNT.
Trotz weiterer Eskapaden wird uns Charles Barkley auch in Zukunft erhalten beleiben. Laut TNT wird er auch in den kommenden Jahren wieder als Kommentator im Studio sitzen, vermutlich solange, bis er 2014 für das Amt des Gouverneurs von Alabama kandidieren will.
Viele seiner Kritiker halten seine Chancen auf das Amt zwar für gering, doch wer hätte vor über 30 Jahren ernsthaft daran geglaubt, dass ein kleines, übergewichtiges Kind eines Tages zu einem der besten Spieler der NBA werden würde.
Einer jedenfalls hat immer an sich geglaubt: Charles Barkley.
Christian Gerne