Schulterverletzungen vorbeugen
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1. Trainieren Sie Ihren Oberkörper ausgewogen!
Wenn Sie dafür sorgen, dass die Kräftigung Ihres Oberkörpers ausgewogen ist, haben Sie den ersten Schritt zur Verletzungsprävention bereits getan. Das heißt, dass jede Drückübung durch eine Zug- oder Ruderübung ausgeglichen werden muss. Zu viele Sportler konzentrieren sich auf ihre großen, sichtbaren Muskeln: den oberen Trapezius, den vorderen Deltamuskel und die Brustmuskeln (pectoralis). In der Folge bleiben die Muskeln, die optisch nicht gut zur Geltung kommen – der untere Trapezius, die Rhomboiden, der Latissimus dorsi und die hinteren Deltamuskeln – unterentwickelt zurück. Dies führt zu einem muskulären Ungleichgewicht im Schulterbereich und damit zu einer ungenügenden Stabilisierung der Scapula (Schulterblatt). Zusätzlich können die großen, sichtbaren Muskeln, wenn sie überentwickelt sind, zu einer runden Schulterhaltung führen, die auf unnatürliche Weise die Scapula nach oben und nach vorne schiebt. Ein solches Ungleichgewicht sollten Sie in jedem Fall beseitigen, um Impingement-Veletzungen der Schulter vorzubeugen und zu heilen.
Ich möchte Ihnen die folgende Übungseinheit für ein ausgeglichenes Training des Oberkörpers empfehlen. Beachten Sie bitte, dass zwischen Drück- und Zugübungen ein Verhältnis von 1:1 bestehen muss.
• Bankdrücken (Pectoralismuskeln, vorderer Deltamuskel)
• Sitzendes Rudern (Rhomboiden, mittlerer Trapezius, Latissimus)
• Flys (Pectoralismuskeln)
• Reverse-Flys im Liegen (Rhomboiden, mittlerer Trapezius, hinterer Deltamuskel)
• Seitheben (hinterer, mittlerer Deltamuskel, oberer Trapezius)
• Latziehen im weiten Obergriff (Latissimus, unterer Trapezius).
Falls Sie anfällig für Schulterschmerzen sind oder sich momentan von einer Schulterverletzung erholen, empfehle ich Ihnen, das Verhältnis nach 2:1 zugunsten der weniger sichtbaren Muskeln umzustellen. Denken Sie daran, dass die Drückübungen die Probleme verursacht haben, deshalb sollten Sie den Schwerpunkt verschieben, bis Sie das Ungleichgewicht beseitigt haben. Weitere Zugübungen sind: vorgebeugtes Rudern, einarmiges Rudern mit Kurzhantel, einarmiges Rudern am Seilzug, vorgebeugte Reverse-Flys, Klimmzüge im engen/weiten Griff und Pull-Downs am Seilzug/Theraband.
Die Rehabilitation eines Schulter-Impingements sollte sich auf die Kräftigung der Rotatorenmanschette (RoM) konzentrieren. Daran müssen Sie besonders dann denken, wenn Sie wieder ins Training einsteigen. Steigern Sie sich nur langsam! Vermeiden Sie bestimmte Bewegungsradien, vor allem jene, bei denen der subakromiale Raum des Schultergelenks besonders stark verkleinert wird. Der Impingement-Bereich, den es zu vermeiden gilt, liegt zwischen 70° und 120° der Schulterabduktion, also wenn Sie den Arm seitlich vom Körper wegbewegen.
Beginnen Sie die Übungseinheit für die weniger sichtbaren Muskeln mit sitzendem Rudern, weil bei dieser Übung keine Abduktion des Schultergelenks auftritt. Sobald der Schmerz vollständig abgeklungen ist, fangen Sie mit den Übungen an, die sich oberhalb des Kopfes abspielen, also mit Klimmzügen und Latziehen. Die Übungen zur Kräftigung der großen, sichtbaren Muskeln sollten Sie noch vorsichtiger angehen. Verzichten Sie möglichst für eine Weile auf Seitheben, stehendes Rudern und Schulterdrücken. Ein guter Neuanfang wäre geneigtes Bankdrücken, wobei der Arm im 45°-Winkel weggeführt wird. Steigern Sie sich langsam auf Ihr normales Level beim Bankdrücken, sobald sich Ihre Kraft erhöht hat.
Genauso wichtig ist es, dass Sie Ihre Gewichte nicht zu schnell erhöhen. Denken Sie daran, dass sich Bänder und Sehnen genau wie die Muskeln erst wieder an die Belastung gewöhnen müssen und dafür womöglich länger brauchen. Ich schlage vor, Sie bleiben zunächst bei einem Umfang von 12–20 Wiederholungen, bevor Sie das Gewicht erhöhen, besonders bei den großen sichtbaren Muskeln. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es für viele Sportler wichtig ist, bei Übungen wie dem Bank- oder Nackendrücken hohe Gewichte bewältigen zu können. Allerdings empfehle ich einen behutsamen Kraftaufbau bis hin zu Ihrer Maximalkraft. Eine gute Vorgabe wäre, sich alle 2 Wochen je 2 Wiederholungen mehr an Ihre alten Wiederholungszahlen anzunähern. Achten Sie darauf, dass Sie vor schweren Übungseinheiten das Schultergelenk und die Rotatorenmanschette sorgfältig aufwärmen.
Die richtige Position der Scapula erreichen Sie, indem Sie diese zurückziehen und nach unten drehen. Im Grunde bedeutet das, eine „Militärhaltung“ einzunehmen, mit zurückgenommenen Schultern und herausgestreckter Brust. Eine gekrümmte oder bucklige Haltung sollten Sie immer vermeiden! In die richtige Position kommen Sie mithilfe Ihrer Rhomboiden sowie den mittleren und unteren Trapeziusmuskeln. Gewöhnen Sie sich an, jede Trainingseinheit des Oberkörpers mit einer guten Haltung und zusammengezogenen Schulterblättern auszuführen. Sie sollten fühlen können, dass die Scapula eine sichere und feste Verankerung darstellt, die die Schulter während der Übungsausführung in der korrekten Stellung hält. Sie lernen die richtige Haltung am effektivsten durch sitzendes Rudern. Dabei zeihen Sie die Schulterblätter zurück und gleichzeitig nach unten, während Sie die Arme bewegen. Bei der Ausführung sollte Ihnen auffallen, dass die Rhomboiden und der Trapezius angespannt sind, um die Scapula an ihrem Platz zu halten. Der Latissimus ist dabei für die Bewegung zuständig. Sobald Sie ein Gefühl für das Aufrechterhalten der Schulterblattstabilität während des sitzenden Ruderns entwickelt haben, versuchen Sie dieses auf alle Oberkörperübungen anzuwenden. Wie Sie vielleicht merken werden, müssen Übungen, bei denen es zu einem Engpass in der Schulter kommen kann, nicht immer mit Schmerzen verbunden sein. Dazu brauchen Sie nur die korrekte Haltung einzunehmen, etwa bei Liegenstützen oder Frontheben. Sie werden durch den Einsatz der Schultermuskulatur eine verbesserte Schulterblattmechanik und Verletzungsprävention erzielen. Eine ausreichende Scapula-Stabilität des Schulterbereichs ist schwierig zu erlernen und erfordert ein hohes Maß an Übung und Konzentration während Ihrer Übungseinheiten. Als Erstes müssen Sie verstehen, wie die korrekte Haltung aussieht. Dazu benötigen Sie meist einen Trainer oder Physiotherapeuten, der Sie betreut. Dann kann er Sie während der Einheit anleiten und beobachten, damit Sie die korrekte Schulterhaltung beibehalten.
Genauso wie beim Rehabilitationstraining für Beinverletzungen erfordert auch die Reha für die Schulter eine funktionale Steigerung von einfachen Kräftigungsübungen hin zu sportartspezifischen Übungen. Das heißt für Sie als Sportler, z. B. als Speerwerfer oder Tennisspieler, dass konventionelle Übungen gegen einen Widerstand für eine vollständige Genesung nicht ausreichen. Um diese Kluft schließen zu können, bedarf es oftmals des Einsatzes von plyometrischen Schulterübungen, die die spezifischen Bewegungen Ihrer Sportart nachahmen. Plyometrie für die Schulter setzt meist auf die Verwendung von Medizinbällen in verschiedenen Gewichtsstufen.
Plyometrische Übungen haben 2 Vorteile: Erstens werden sie schnell ausgeführt und zweitens umfassen sie Bewegungsabläufe des so genannten „Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus“. Das bedeutet, sie sind viel stärker auf Ihre Sportart ausgelegt als herkömmliche Übungen, bei denen Sie gegen einen Widerstand arbeiten. Besonders effektiv sind pylometrische Übungen für Muskeln der hinteren Schulter und der Außenrotatoren, da sie Ihnen eine exzentrische Beanspruchung liefern. So wird die Kontrolle über die Schulter verbessert, die bei den kraftvollen konzentrischen Abläufen der Pectoralismuskeln und der vorderen Deltamuskeln notwendig ist, etwa beim Werfen oder Aufschlagen. Aus diesem Grund sollten Sie sicherstellen, dass Ihre plyometrischen Übungseinheiten ausgewogen auf die großen Krafterzeuger (Pectoralismuskeln, Latissimus, vorderer Deltamuskel) sowie auf die Muskeln der hinteren Schulter und des oberen Rückens verteilt sind. Ich empfehle Ihnen, plyometrische Übungen in Ihr allgemeines Trainingsprogramm einzubauen, um Verletzungen vorzubeugen und um in der späteren Phase der Rehabilitation die schrittweise Rückkehr in den Wettbewerb nicht zu gefährden. Hier sind 2 Vorschläge für plyometrisches Training. Das Entscheidende bei beiden ist, dass Sie den Medizinball auffangen, den Aufprall schnell absorbieren (schnelle exzentrische Phase) und dann explosiv zurückwerfen (kraftvolle konzentrische Phase).
1. Kraftvolle Würfe (Pectoralismuskeln, vorderer Deltamuskel):
Diese Übung läuft wie ein plyometrisches Bankdrücken ab, jedoch mit einem Medizinball statt einer Langhantel. Legen Sie sich auf den Rücken, die Beine gebeugt, der untere Rücken flach am Boden. Der Partner steht über Ihrem Kopf und lässt den Ball (3–6 kg) fallen. Sie fangen den Ball mit gestreckten Armen und lassen ihn schnell auf Ihre Brust fallen, dabei beugen Sie die Arme und werfen den Ball mit einer kraftvollen Streckung der Arme sofort zurück. Achten Sie darauf, dass Ihr Rücken flach auf dem Boden bleibt und dass Sie die Bewegung ausschließlich mit den Armen ausführen. Führen Sie Einheiten mit 8–12 Wiederholungen durch.
2. Fangen und Werfen mit der Rückhand (Außenrotatoren):
Diese Übung ist vergleichbar mit einem Rückhandschlag beim Tennis.
Stehen Sie aufrecht, mit den Füßen schulterbreit auseinander. Beugen Sie Ihren Arm um 90° und halten Sie Ihren Ellbogen am Körper. Drehen Sie Ihren Arm fangbereit nach außen, Ihr Rumpf zeigt dabei nach vorne. Ihr Partner steht rechts von Ihnen und wirft Ihnen einen kleinen Ball (1 kg) zu. Sie fangen den Ball und bewegen ihn schnell am Körper entlang. Dabei drehen Sie den Arm nach innen, sofort danach werfen Sie den Ball mit einer kraftvollen Armdrehung nach außen zurück. Achten Sie darauf, dass Sie dabei nicht Ihren Rumpf einsetzen und halten Sie den Ellbogen immer am Körper, damit der Einsatz nur von den Muskeln der hinteren Schulter und der Außenrotatoren ausgeht. Wiederholen Sie das Ganze für die linke Seite. Führen Sie Einheiten von 12–20 Wiederholungen durch.
Raphael Brandon