Was bringt Kompressionsbekleidung wirklich?
- Jörg Birkel
Die Idee für Funktionsbekleidung mit einer gradienten Kompression kommt, wie so häufig, aus der Medizin. Durch Druck von außen soll der venöse Rückfluss des Blutes erleichtert werden. Und fließt das Blut schneller zum Herzen zurück, können Muskeln und Organe auch schneller mit Sauerstoff versorgt werden.
Kompression in Training und Wettkampf
Gradiente Kompression bedeutet übrigens, dass der Druck auf unseren Körper vom Herzen weg zunimmt. Der Druck hat eine weitere, entscheidende Wirkung auf den Blutkreislauf: Arterien reagieren darauf und weiten sich, sodass mehr Sauerstoff zur arbeitenden Muskulatur gelangen kann.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien zum Thema, die eine positive Wirkung für Sportler bestätigen:
• Radfahrer wiesen eine verbesserte Sauerstoffzufuhr in der Muskulatur auf, wenn sie Kompressionsbekleidung trugen. (Dascombe, 2006)
• Läufer hatten 24 Stunden nach einem intensiven Dauerlauf weniger Muskelkater. (Ali, Caine & Snow, 2007)
• Bei 12 Radprofis konnte eine Leistungssteigerung von durchschnittlich 15 Watt bei einem Fahrtest an der anaeroben Schwelle beobachtet werden, wenn sie Kompressionsbekleidung trugen. Auch die Lakattkurve war entsprechend verschoben. (Dascombe, 2006)
• Durch Kompressionsbekleidung lässt sich die langsame Komponente der Sauerstoffverbrauch der Muskulatur um 36 Prozent reduzieren. (Bringard, 2006)
Auch eine Studie der Uni Erlangen unter Leitung von Dr. Wolfgang Kemmler kam zu dem überraschenden Ergebnis: „Läufer mit Kompressionsbekleidung konnten im Stufentest (Belastung über 3 Minuten) wesentlich länger laufen und konnten an der aeroben Schwelle eine signifikant höhere Geschwindigkeit realisieren als die Läufer der Kontrollgruppe.“
Kemmler rechnet bei Läufern mit einer Verbesserung von 1-2 Prozent. Das hört sich zwar nicht nach viel an, aber hochgerechnet auf einen Marathon kann das 4-5 Minuten bringen. Seine Erklärung: Kompressionsbekleidung sorge für eine bessere Durchblutung des Gewebes, einen besseren Abtransport von Laktat und eine bessere Sauerstoffversorgung des Muskels. Außerdem glaubt Kemmler, dass die Führung der Muskulatur durch Kompressionsbekleidung verbessert sei.
Regeneration und Freizeit
Es gibt auch Gründe dafür, die Kompressionsbekleidung nach dem Sport zu tragen. Der schnellere venöse Rückfluss des Blutes ist nämlich nicht nur unter Belastung positiv, sondern beschleunigt auch hinterher die Regeneration
Rugbyspieler, die nach dem Training Kompressionsbekleidung trugen, zeigten 36 Stunden später deutlich bessere Regenrationswerte als mit herkömmlichen Regenerationsstrategien (bspw. aktiv, passiv) (Gil, Beaven & Cook, 2006). Kompressionsbekleidung reduziert zudem trainingsbedingte Schwellungen und Muskelkater, was dazu führt, dass manche Leistungssportler mittlerweile in Kompressionsstrümpfen schlafen. Übrigens: Auch auf Flugreisen verhindern Kompressionssocken ein Anschwellen der Füße.
Weitere Vorteile von Kompressionsbekleidung
Kompressionsbekleidung scheint zudem die Fähigkeit beim Krafttraining zu verbessern, Müdigkeit zu widerstehen und Muskelvibrationen zu vermindern, die durch wiederholte Aufprallbelastung während des Laufens entstehen.
Weiterhin gibt es Anzeichen dafür, dass Kompressionsbekleidung die Propriozeption, also die Eigenwahrnehmung des Körpers, verbessert und nach einer intensiven Übung die Laktatkonzentration im Blut schneller reduziert.
Fazit
Über den modischen Wert von Kniestrümpfen kann man sicherlich streiten, aber glaubt man den Studien, kann Kompressionsbekleidung bei ambitionierten, wettkampforientierten Sportlern sowohl die Leistung in Training und Wettkampf steigern als auch die Regeneration beschleunigen. Ob sich hingegen die Investition für Hobbyathleten lohnt, hängt von weiteren individuellen Faktoren ab. Einem deutlich übergewichtigen Triathleten würde sicherlich eine Gewichtsreduktion durch Training mehr Vorteile bringen als eine teure Ganzkörperkompression.