Der Nachbrenneffekt – Zwischen Mythos und Wahrheit
- Marco Heibel
Der Nachbrenneffekt – auch Excess post-exercise oxygen consumption (EPOC) – bezeichnet die gesteigerte Stoffwechselaktivität nach dem Training. Die Gelehrten streiten sich seit Jahren darüber, wie groß dieser Effekt tatsächlich ist und nach welcher Trainingsform er am höchsten ausfällt. Unbestritten ist jedoch, dass der Nachbrenneffekt unmittelbar nach dem Training am höchsten ist und in der Folge kontinuierlich abnimmt.
Was beeinflusst den Nachbrenneffekt?
Lange ging man in der Wissenschaft davon aus, dass allein die Länge und die Intensität eines Trainings darüber entscheiden, wie viel gesteigerte Energie der Körper nach dem Training verbraucht. Der Begriff des Nachbrenneffekts war geboren. Logisch ist, dass ein Stoffwechsel, der während des Trainings auf Hochtouren arbeiten muss, nicht sofort in den Ruhezustand übergeht, sobald man die Gewichte beiseite legt oder mit dem Laufen aufhört. Gleiches trifft auf die Sauerstoffaufnahme zu. Auch diese ist noch nach dem Workout eine Zeit lang erhöht.
Mittlerweile geht man aber davon aus, dass noch ein paar andere Faktoren den Energieverbrauch nach dem Training beeinflussen: So wird mittlerweile auch der Höhe der Kern-Körpertemperatur während des Workouts sowie dem Stresslevel eine große Bedeutung beigemessen. So wirken beispielsweise die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin anregend auf den Stoffwechsel, die Herztätigkeit und die Atmung – und deren Ausschüttung ist bei einem Training bei niedriger Intensität naturgemäß nicht allzu hoch.
Das passiert beim Nachbrenneffekt
Die Reaktionen im Körper lassen sich im Groben in drei Phasen unterteilen:
Phase 1: Der Körper beginnt unmittelbar nach dem Training damit, die schnellen Energielieferanten ATP (Adenosintriphosphat) und Kreatinphosphat zu bilden. Weiterhin kommt es zudem zur Neubildung des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin und des Muskelproteins Myoglobin. Auch das Nervensystem und der Stoffwechsel regenerieren sich. All diese Maßnahmen kosten den Körper Energie, sprich Kalorien. All diese Prozesse laufen in weniger als einer Stunde ab. Ein besonders großer Anteil kommt hierbei dem Abtransport und der Verwertung von Stoffwechselprodukten zu. Allein der Abbau von Fettsäuren etwa soll bis zu 15 Prozent des gesamten EPOC ausmachen.
Phase 2: In der Nachbelastungsphase ist die Eiweißverwertung im Körper besonders aktiv. Zum einen werden Proteine zu Aminosäureverbindungen umgewandelt und dem Körper schnell zugänglich gemacht, zum anderen werden in den Zellen Proteine hergestellt (Eiweißsynthese). Auch und vor allem für diese Prozesse benötigt der Körper jede Menge Energie, wobei die Aktivität und damit der Energiebedarf nach einem hochintensiven Kraft-Workout größer ausfällt, als beispielsweise nach einem langsamen, gleichmäßigen Lauf. Die zweite Phase soll innerhalb weniger Stunden abgeschlossen sein.
Phase 3: In einer weiteren Phase, die bis zu zwei Tage andauern kann, wird nicht mehr übermäßig viel Energie in Folge des Trainings verbraucht. Ein paar Kalorien kommen aktuellen Erkenntnissen zufolge aber immer noch zusammen. So bewirkt allein eine erhöhte Muskelspannung nach dem Training einen zusätzlichen Energieverbrauch.
Wie hoch fällt der Nachbrenneffekt aus?
In dieser Frage gibt es bislang bestenfalls Indizien. Das grundsätzliche Problem bei den Studien zum Thema ist nämlich, dass sich die Studiendesigns teilweise stark unterscheiden. Daher ist es kein Wunder, wenn die eine Studie zu dem Schluss kommt, dass der Nachbrenneffekt keine nennenswerte Rolle spielt, während andere Untersuchungen einen über 36 bis 48 Stunden andauernden Nachbrenneffekt nachweisen, der sich auf bis zu 200 Kilokalorien belaufen soll – im Übrigen unabhängig vom Fitnesszustand des Trainierenden.
Unabhängig davon scheint aber eines klar: Am höchsten ist der Nachbrenneffekt bei einem fordernden, intensiven Training. Als Referenz soll eine Studie der University of South Australia aus dem Jahr 2006 dienen.
Hierin heißt es, dass man bei einem Ausdauertraining im intensiven Bereich (etwa Intervallläufe im Spitzenbereich) dank des Nachbrenneffekts noch einmal 10 bis 15 Prozent der im Training verbrannten Kalorien zusätzlich verbraucht. Ein aerobes Ausdauertraining bewirkt der Studie zufolge zwar auch einen Nachbrenneffekt, doch der fällt mit maximal 5 Prozent obendrauf vergleichsweise gering aus.
Wer einen maximalen Nachbrenneffekt erzielen möchte, muss sich dagegen wohl oder übel durch ein hochintensives Kraft-Zirkeltraining mit maximaler Muskelermüdung zwingen. Hier sollen bis zu 20 Prozent zusätzlich möglich sein.
Mythos: Kohlenhydrate stoppen den Nachbrenneffekt
Es deutet also einiges darauf hin, dass der Einfluss des Nachbrenneffekts gerade für die Gewichtskontrolle durchaus erwähnenswert ist. Allerdings hat ein hoher Nachbrenneffekt den Preis, dass man sich erst so richtig schinden muss, um nennenswert von ihm zu profitieren (man könnte das auch als Belohnung auffassen). Aber wie sieht es mit dem Essen aus? Es gibt ja die Behauptung, dass man ein paar Stunden keine Kohlenhydrate zu sich nehmen soll, um den Nachbrenneffekt nicht zu stoppen.
Doch dieser Mythos ist wohl eher das Resultat einer Verwechslung des Nachbrenneffekts mit dem Fettstoffwechsel. Letzterer arbeitet tatsächlich schlechter, wenn der Körper Kohlenhydrate zur Verfügung hat. Doch deren Konsum lässt den Nachbrenneffekt (sprich die erhöhte Aktivität von Stoffwechsel, neuronalem System & Co.) unberührt. Es wäre ja noch schöner, wenn sich der Körper mit einer Portion Nudeln oder einem Schokoriegel von jetzt auf gleich regenerieren ließe, alle Speicher schlagartig gefüllt wären, alle Stoffwechselprodukte abtransportiert wären und der Stoffwechsel wieder im Ruhezustand arbeiten würde.
Nichtsdestotrotz muss man bei der Aufnahme von Kohlenhydraten nach dem Training differenzieren: Wer sich schnell regenerieren möchte und einen Trainingseffekt erzielen möchte, sollte nach einer intensiven Einheit unbedingt 20-30 Gramm Proteine und 1 Gramm Kohlenhydrate je Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Wem es allein darum geht, Gewicht zu reduzieren, der sollte sich bei den Kohlenhydraten limitieren, jedoch nicht bei den Proteinen sparen. Nach dem Training ein paar Stunden überhaupt nichts außer Wasser zu sich zu nehmen, ist dagegen die schlechteste aller Möglichkeiten.